Eva Kausche – Büchern ein Gesicht gegeben

Wohl dem, der eine Brieffreundschaft mit Eva Kausche pflegte – als noch keine SMS hin und her flogen, WhatsApp als Kommunikationsmittel noch undenkbar war, da erfreute Eva Kausche ihre Angehörigen, ihre Freundinnen und Freunde mit geschriebenen und gezeichneten Botschaften. Ein kleiner Junge mit einem opulenten, bunten Blumenstrauß zierte gute Wünsche zum Geburtstag, die Strandpromenade eines Seebades an der italienischen Adria den Gruß aus dem Urlaub und das Selbstporträt der Zeichnerin die besten Genesungswünsche für den kranken Freund. Solche individuellen Briefe und Karten, manchmal großzügig mit mehreren Zeichnungen, manchmal sparsam mit einer kleinen Vignette illustriert, prägten die Korrespondenz der 2010 in Worpswede verstorbenen Künstlerin.

Dass es Eva Kausche war, die Millionen von Büchern über viele Jahrzehnte mit ihren Zeichnungen ein Gesicht gab, die für Eric Malpass‘ Erfolgsroman „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ die Figur des kleinen Jungen Gaylord erfand und die für nahezu alle großen deutschen Verlage Buchtitel entwarf, ist mittlerweile etwas in Vergessenheit geraten. Sie wurde nach 1945 zu einer der bedeutendsten deutschen Buchkünstlerinnen, deren Umschlagszeichnungen auch für den Erfolg oder Misserfolg eines Romans mitentscheidend war. Rowohlt, Kindler, Heyne, Ullstein, Droemer-Knaur, Piper und S. Fischer, Ellermann und Oetinger – diese und viele andere Verlage ließen von Eva Kausche Entwürfe für Umschläge entwickeln und realisierten sie dann auch. Dabei kam es nicht selten vor, dass sie die Zeichnung lieferte und ihr Mann Martin Kausche die Schrift und die Gestaltung entwickelte. Heitere Familiengeschichten, leichte Literatur, in diesen Genres fühlte sich Eva Kausche besonders zu Hause. Und hier war sie auch besonders erfolgreich, wie die Kunsthistorikerin und Germanistin Dr. Dorothée Bores (Trier) herausgefunden hat und in einem Vortrag im Haus im Schluh erläuterte: Für die Umschläge der als rororo-Taschenbücher erscheinenden historischen Romane von Georgette Heyer war die Worpsweder Grafikerin jahrelang exklusiv verantwortlich. Verkauft wurden seit den 1960er Jahren mehr als vier Millionen Exemplare mit den charakteristischen Titeln.

Die Zuverlässigkeit, die disziplinierte Termineinhaltung, die durch gründliche Lektüre gegebene Übereinstimmung von Texten und Zeichnungen und die hohe Wiedererkennbarkeit der Kausche-Werke stellten den Erfolg der aus Lübeck stammenden und seit 1945 in Worpswede lebenden Grafikerin sicher, die mit ihrer Arbeit die sechsköpfige Familie ernährte. Auffallend ist, wie sie von den 1940ern bis in die 1980er Jahre den jeweiligen Zeitgeist in ihren Illustrationen einfing. Mit wenigen, präzise gesetzten Strichen entstanden ihre menschlichen Charaktere, die bis in die 1960er Jahre zumeist auf weißem Untergrund mit allenfalls einer oder zwei Schmuckfarben die Umschläge zierten. In den 1970er Jahren wurden die Titel flächiger und plakativer, intensiver in der Farbigkeit. Im Jahrzehnt darauf prägten lavierte Farbstiftzeichnungen die Umschläge.

Neben der Arbeit als Buchgrafikerin gab es ein weiteres Genre, das Eva Kausche über Jahrzehnte mit Leidenschaft ausfüllte: die comicartige Bildgeschichte. Für die Zeitschrift „Frau im Spiegel“ erfand sie die Serienfigur Florian, dessen Vorbild aus der eigenen Familie stammte. Dieser kleine Junge, der nie älter wurde, tauchte in seinem geringelten Pullover von Januar 1967 bis ins Jahr 1994 Woche für Woche mit einem mal witzigen, mal philosophisch geprägten Satz in der Zeitschrift auf. Über 1400 Folgen kamen zusammen, die zumeist aus den häuslichen Erlebnissen in der Familie Kausche gespeist wurden. Aufgrund der großen Resonanz entschloss sich der Verlag Hoffman und Campe, vier Buchausgaben mit den mal altklugen, mal humorvollen Erkenntnissen des kleinen Florian zu veröffentlichen. Auch diese Bücher wurden zu auflagenstarken Publikumserfolgen.

Schon längst im Rentenalter zog sich Eva Kausche in den 1990er Jahren aus der von Termindruck geprägten Auftragsarbeit zurück. Zeichenstift, Feder und Pinsel legte sie jedoch nicht aus der Hand, sie widmete sich nun der freien Zeichnung und erlernte im fortgeschrittenen Alter auch noch die Fertigkeit des Radierens und des Lithografierens. Getreu ihrem frühen Eingeständnis, Tiere und technische Objekte könne sie nicht zeichnen, konzentrierte sie sich auf Porträts und Menschen in ihrem Alltag, auf Ansichten aus der Worpsweder Umgebung und auf Skizzen von Landschaften, die sie während ihrer Reisen entdeckte. Günter Busch, viele Jahre Direktor der Bremer Kunsthalle, hat diese freien Arbeiten von Eva Kausche anlässlich ihrer Ausstellung in der Worpsweder Kunsthalle schon 1976 so beschrieben: Ihre Porträts seien „ungemein sprechende und zugleich in sich ruhende Umschreibungen einer ganzen Person – bildhaft vollständig, ohne doch das Spontane der Sicht oder das Durchsichtige der zeichnerischen Struktur aufzugeben“. Die Landschafts-Zeichnungen charakterisierte Busch als „ein wahres Fest an verschiedenartigen Strukturen, Geflecht und Gewebe“. Ihre Zeichnungen einer vertrauten Umgebung seien „ohne jedes polemische Pathos. Ohne jede polemische Sentimentalität – spröde, trocken beinahe, deshalb umso eindrucksvoller“. Sie gebe „der Form einen Gehalt“.

Diese trockene Leichtigkeit, den stillen Humor hat sich Eva Kausche bis ins hohe Alter bewahrt. Ihre Serie der alten Worpsweder Originale belegt dies nachdrücklich. Ausgestellt wurden die Buchgrafik, die Zeichnungen, Radierungen und Lithografien 1976 in der Worpsweder Kunsthalle, 1998 aus Anlass des 80. Geburtstages in der Galerie Altes Rathaus Worpswede und 2019 im Haus im Schluh, dem Eva Kausche zeitlebens besonders durch die Freundschaft mit dem dort bis zu seinem Tod 2009 ansässigen Kunsthistoriker Hans-Herman Rief verbunden war. Der Nachlass der Künstlerin wird bis heute in der Familie bewahrt.