Die Koenemanns: Teil IV einer Forschungsreihe

 – Über die Nähe zu einem „König“ –

Vorbemerkungen

In vorherigen Beiträgen wurden aus der Familiengeschichte des in Worpswede im Zusammenhang mit der sogenannten „Käseglocke“ besonders bekannten Edwin Koenemann (1883-1960) drei Kapitel ausgewählt und hier dargestellt. Begonnen hatte die Serie mit der Vita des erwähnten Protagonisten. Dabei gab es noch einige Leerstellen in Bezug auf seine Herkunft, die nun weitgehend gefüllt werden konnten.

Dass aber in der Genealogie dieser Familie sogar noch eine ganze Reihe von bedeutenden Personen vorkommen, von denen selbst Edwin Koenemann wahrscheinlich nichts gewusst hat bzw. aus Altersgründen nichts wissen konnte, veranlasste weitere Folgen.

In einer zweiten Folge stand der nicht ganz unbedeutende russische Komponist und glänzende Pianist Fjodor Fjodorowitsch Koenemann (1873-1937) im Mittelpunkt. Der hatte am renommierten Moskauer Konservatorium studiert und ab 1912 über Jahrzehnte als Professor an dieser Institution gelehrt. Einige seiner zum Teil weltbekannten Kompositionen konnten vorgestellt werden. Daneben aber wurde noch seine enge freundschaftliche und künstlerische Verbindung mit dem berühmten russischen Bassisten Fjodor Schaljapin (1873-1938) dokumentiert und einige der verfügbaren Aufnahmen zu Gehör gebracht.

Im dritten Teil ging es dann um die verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Koenemanns und dem bekannten Schauspieler Ulrich Tukur einerseits sowie der Schriftstellerfamilie Nadolny andererseits. In beiden Fällen spielte eine bedeutende Familiendynastie an Tuchmachern, die Peltzers, eine herausragende Rolle. Die Koenemanns und die Peltzers waren allesamt einmal im heutigen Länderdreieck zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden in der Nähe Aachens ansässig gewesen und durch Heiraten in verschiedenen Generationen untereinander verbunden. Viele von ihnen waren im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts ins zaristische Russland ausgewandert, um dort als Tuchmacher und Kaufleute Ansehen und Reichtum zu erwerben. Neben diesen Verbindungen war noch über eine besondere wissenschaftliche Karriere, d.h. über einen bedeutenden russischen Chemiker namens Mendelejew berichtet worden. Auch in diesem Falle gibt es eine Verwandtschaft zu den Koenemanns.

Im abschließenden vierten Teil soll es nun – im Thema sehr verklausuliert formuliert – um die Nähe der Koenemanns zu einem König gehen. Die in der Überschrift gesetzten Anführungszeichen deuten jedoch darauf hin, dass es sich dabei nicht um eine Person handeln wird, in deren Adern wirklich blaues Blut geflossen ist. Immerhin aber trägt der Betreffende den Namen König, allerdings in der Regel mit oe statt mit ö geschrieben.[1] Und in Wahrheit wird es im Folgenden auch nicht um den Nachweis einer direkten Verwandtschaft gehen, sondern – wie ja in der Überschrift schon avisiert – lediglich um die Nähe zwischen den Koenemanns und diesem Koenig, also um einige nachweisbare bzw. vermutete Berührungspunkte. Aber selbst diese bergen eine ganze Reihe von sehr interessanten Inhalten.

Interessant – und nochmals ein wenig verklausuliert – ist auch der Schluss, in dem es um einen weiteren König geht, d.h. um eine andere Familie gleichen Namens. Diese Namensvetterschaft wäre nicht weiter aufregend bzw. erwähnenswert, wenn nicht mit ihr verschiedentlich in Publikationen eine direkte Verwandtschaft zwischen diesen zwei Familiendynastien König/Koenig verbunden würde.

Friedrich Napoleon Koenemann

Die Geschichte, die hier zunächst erzählt werden soll, beginnt mit dem Familienzweig der Koenemanns, aus dem der erwähnte russische Komponist und Pianist Fjodor F. Koenemann hervorgegangen ist (siehe Teil II), d.h. genauer: mit dessen Eltern. Sein Vater Friedrich Napoleon Koenemann (1838-1903) hatte in Abkehr von der bei den Koenemanns üblichen beruflichen Tradition nicht das Tuchmacherhandwerk erlernt, sondern an der Universität in Königsberg das Ingenieurdiplom erworben. Und anders als seine Eltern, Brüder und weitere Verwandte hatte er sich zunächst auch nicht in Moskau oder der Moskauer Region niedergelassen, sondern sich in den späten 1860er Jahren in das Gouvernement Charkow (in der heutigen Ukraine: Charkiw) begeben. Privat hatte dieser Aufenthalt für ihn zur Folge, dass er dort seine künftige Ehefrau Olga Iwanowna Gnedich (1849-1925) kennenlernte. Sie stammte aus einer sehr angesehenen adligen Familie. Mit ihr hatte er schließlich 14 Kinder, darunter als Erstgeborenen eben jenen erwähnten Sohn, den späteren Komponisten, Pianisten und Professor am Moskauer Konservatorium.

Aber wichtiger als diese familiäre soll jetzt die berufliche Seite von Friedrich Napoleon Koenemann betrachtet werden, zumal dieser Sachverhalt für den Fortgang dieser Geschichte bedeutsam wird. Denn Friedrich Napoleon machte die Bekanntschaft eines Fabrikanten, der genau zu jener Zeit darum bemüht war, sich in der Region Charkow eine neue, entscheidend erweiterte Basis für die industrielle Zuckerproduktion in Russland aufzubauen, deren Schwerpunkt für ihn bis dahin in der damaligen Hauptstadt St. Petersburg gelegen hatte. Bei der Person, um die es in der Folge gehen wird, handelt es sich um einen der bedeutendsten Fabrikanten jener Zeit im Zarenreich, nämlich um Leopold Koenig (1821-1903).

Leopold Koenig und seine Familiengeschichte

Leopold Koenig; Foto unter: http://www.keneman.com

Leopold Koenig war 1821 als ältester Sohn von insgesamt 18 (vgl. Oesl und Hutterer 1996) bzw. 15 (vgl. Hutterer und Oesl 1998) Geschwistern in St. Petersburg zur Welt gekommen.[2] Sein Vater hatte neun Jahre zuvor als Bäckergeselle seine Heimat in Thüringen verlassen, um sich im fernen Russland eine berufliche Existenz als Bäcker aufzubauen, was ihm auch bereits 1817 mit der Eröffnung einer eigenen Bäckerei gelang. Sein beruflicher Erfolg soll sogar dazu geführt haben, dass er den Zaren direkt mit seinen Backwaren versorgen durfte. Aber sein Sohn Leopold ließ sich dennoch nicht im Bäckerhandwerk ausbilden. Er zog eine Lehre in einem sich damals sehr dynamisch entwickelnden anderen Wirtschaftszweig vor, nämlich der Zuckerindustrie und erlernte das Handwerk des Zuckersieders. Diese Entscheidung war der Beginn einer nahezu phänomenalen beruflichen Karriere, die ihn und seine Familie einmal nach heutigen Maßstäben zu Milliardären machen sollte.

Leopold Koenig stieg in St. Petersburg vom Lehrling und Gesellen zum Gehilfen seines Chefs, des angesehenen Rohr-Zuckerfabrikanten Karl Papmehl (1787-1842), auf. Auf der Basis einer soliden Ausbildung und dem Drang, sich stets mit den neuesten Entwicklungen vertraut zu machen, gelang es ihm, mit geliehenem Geld eine erste eigene Fabrik aufzubauen und zügig, weitere zu pachten bzw. zu kaufen, die er jeweils mit den besten technischen Standards ausstattete. Auf diese Weise erwarb Leopold Koenig bald eine unangefochtene Vormachtstellung in der russischen Zuckerindustrie, die ihm die Bezeichnung „Zuckerkönig“ (sachárnij koról) einbrachte.

Sein Hauptsitz einschließlich eines großen Herrenhauses befand sich zu dieser Zeit auf der sogenannten Wyborger Seite in St. Petersburg in der Nähe des Zarenpalastes. Zum St. Petersburger Grund- und Wohnbesitz der Familie gehörten daneben noch mehrere repräsentative Stadthäuser (vgl. Böhme 2016).

Herrenhaus Koenigs auf der Wyborger Seite in St. Petersburg; Foto unter: http://www.keneman.com

1846 hatte Leopold Koenig die älteste Tochter seines Lehrherrn, Caroline, geb. Papmehl (1828-1894) geheiratet. Zwischen 1849 und 1869 bekam das Ehepaar zwischen neun und elf Kinder (die genaue Anzahl ist ungeklärt). Verbürgt ist, dass von den Kindern nachweislich fünf Söhne, nämlich Karl, Leopold, Alexander, Friedrich und Julius das Erwachsenenalter erreichten (vgl. Dahlmann 2005). Der eine oder andere von ihnen wird im Verlaufe dieser Darstellung noch eine Rolle spielen.

Zurück zu Leopold Koenigs wirtschaftlichen Aktivitäten: Die Entwicklung, durch technische Neuerungen die Zuckerproduktion von importiertem Zuckerrohr auf heimische Zuckerrüben umzustellen, veranlasste ihn, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts seine Interessen neben St. Petersburg auch auf das südliche Russland in das Gebiet der (heutigen) Ukraine zu richten. Dort waren die Schwarzerdeböden hervorragend zum Rübenanbau geeignet. Ab 1874 erwarb er im Gouvernement Charkow teils verfallene Güter, sogar eine Branntweinfabrik, auch Waldungen, ein Sägewerk samt Parkettfabrik, vor allem aber riesige Ackerflächen von zusammen 320 qkm, auf denen er Zuckerrüben erzeugen ließ. Zeitweilig gab er etwa 20.000 Menschen Arbeit und Brot, für die er auch – wie schon in St. Petersburg – auf dem Hintergrund seiner pietistischen Glaubensüberzeugungen eine Reihe von sozialen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Bibliotheken, auch Kirchen bauen ließ. Die hauptsächlichen Standorte seiner imposanten Fabrikanlagen, zu denen immer auch hochherrschaftliche Wohnsitze gehörten, waren Trostjanets und Guty (ukrainisch: Huty). Dazu kam noch das prachtvolle Schloss mit Park in Scharowka (ukrainisch: Sharivka), das er 1881 erwarb, dessen Baustil an anderer Stelle dieses Beitrags noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden soll.

Scharowka, historische Gesamtansicht; CC BY-SA 4.0

Wie bereits oben angegeben, kam es im Gouvernement Charkow zur Begegnung zwischen Leopold Koenig und Friedrich Napoleon Koenemann. Koenig muss wohl von den Fähigkeiten Koenemanns derartig überzeugt gewesen sein, dass er ihm schließlich als Chefingenieur an verschiedenen Orten der Region die Planung, den Bau sowie die angemessene technische Ausstattung der Zuckerraffinerien übertrug. Es wird berichtet, dass Friedrich Napoleon dabei im Hinblick auf technische Neuerungen sogar auf eine Reihe eigener, patentierter Erfindungen zurückgreifen konnte. Zudem sorgte Friedrich Napoleon auch für die Lieferung von Koks, Kohle und Calcit, die für die Produktion in Zuckerfabriken erforderlich sind.

Der (zeitweise) neue Wohnsitz in Bonn

Zu dem durchaus großbürgerlichen Lebensstil der Familie Koenig gehörten regelmäßige nicht-geschäftliche Reisen in den Westen, so nach London und Paris, in die Schweiz, an die Riviera oder in verschiedene Kurorte Deutschlands. Im Jahre 1867 kamen sie während einer Deutschlandreise auch nach Bonn, wo sie sich im noblen Hotel Royal (heute Hotel Königshof) einquartierten. Da sich Leopold Koenigs Frau Caroline schon seit Jahren in St. Petersburg mit ihrem Asthma herumplagte, die Luft am Rhein, der sogenannten „rheinischen Riviera“, ihr aber vermeintlich besser bekam, entstand der Gedanke, sich in Bonn einen weiteren Wohnsitz zu schaffen.

Die Koenigs waren mit diesem Vorhaben übrigens bei weitem nicht allein: Bonn war in den 1860er Jahren nicht nur bei vielen Touristen, sondern vor allem bei reichen „Rentiers“ eine bevorzugte Stadt, sorgte die Stadtverwaltung doch dafür, dass sie einen Teil ihres Vermögens im südwestlich gelegenen Erweiterungsgebiet entlang des Rheins günstig in bislang unbebauten Grundstücken anlegen bzw. dort in bereits gebauten Villen investieren konnten.

Der Zufall wollte es, dass gerade zu dieser Zeit ihres Aufenthaltes in Bonn eine geeignete Immobilie, die „Villa Troost“, verkauft werden sollte. Albrecht Troost, ein aus Mülheim an der Ruhr  stammender Textil-Industrieller, hatte die am Rhein gelegene Villa erst im Jahre 1862 erbauen lassen und 1863 bezogen. 1865 kam jedoch einer seiner Söhne im Bassin eines der anderen Familienanwesen ums Leben, ein Schicksalsschlag, von dem sich die Ehefrau bzw. Mutter nicht erholte und ihrem Leben deshalb im Rhein ein Ende setzte (vgl. Böhme 2016). Er selbst kam deshalb zu dem Entschluss, das Anwesen zu verkaufen.

Die ehemalige Villa Troost, jetzt Villa Koenig um 1870 (vor dem Umbau);  gemeinfrei
Villa Koenig, um 1900 (nach dem Umbau); gemeinfrei

Koenig erwarb die Villa an Silvester 1867 zum Preis von 75.000 Taler. Nach dem Einzug der Familie ließ er zunächst nur Um- und Ausbauten im dazugehörigen Park, darunter den Bau eines großen Palmengewächshauses sowie einer Nibelungengrotte[3] am Rheinufer, durchführen. Erst zehn Jahre später wurden dann neben der Gestaltung der Parkanlagen durch den Hamburger Gartendirektor Rudolph Jürgens großzügige bauliche Veränderungen an der Villa selbst durch den Bonner Architekten Otto Penner vorgenommen. Dazu gehörten vor allem eine neue Fassade mit Seitenteilen, die jeweils mit einem Türmchen akzentuiert wurden (vgl. Scharowka). Ein Vergleich der Ansichten und Grundrisse zeigt, dass es sich im Grunde genommen um einen Neubau handelte (vgl. Oesl und Hutterer 1996).

Während vier von den oben erwähnten Söhnen noch in St. Petersburg geboren worden waren, kam in Bonn der fünfte, nämlich Julius, im Jahre 1869 als „Nesthäkchen“ dazu. Zu seinem ältesten Bruder Karl hatte er einen Altersabstand von 20 Jahren, zum bislang jüngsten immerhin noch neun Jahre. Dass er schließlich wie seine Mutter schwer asthmaleidend wurde, trug wesentlich zu dem Entschluss der Familie bei, Bonn im Jahre 1883 wieder zu verlassen, um nach Cannes an die französische Riviera umzusiedeln.

Erst kurz vor der Jahrhundertwende – Caroline Koenig war 1894 verstorben –  verkaufte Leopold Koenig seine Bonner Villa mit Gewinn[4] an den Baumwollfabrikanten Rudolf Hammerschmidt, den er aus St. Petersburg gut kannte. Seither ist diese Villa als Villa Hammerschmidt wohlbekannt. Wie bekannt, wurden das Haus und sein großzügig angelegtes Parkgrundstück zwischen 1950 und 1994 zum Amts- und Wohnsitz des jeweiligen Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Als kleine Reminiszenz an den Vater von Leopold Koenig, der ja Bäcker von Beruf war, sind immer noch Reliefdarstellungen von zwei Brezeln als Zunftzeichen an der Vorderseite der Fassade zu sehen.

Die Brezeln als Detail (Ausschnittvergrößerung)
Eingangsfassade der Villa Hammerschmidt; CC BY-SA 3.0

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Die Nähe der Familien Koenig und Koenemann

Im Hinblick auf Bonn muss nun über die zweite Nähe zwischen den Familien Koenig und Koenemann berichtet werden. War es nur eine zufällige zeitliche Überschneidung, dass der Cousin von Friedrich Napoleon Koenemann, nämlich Alexander Koenemann (1834-1915), Tuchfabrikant aus Moskau, sich ebenfalls wie die Familie Koenig Ende der 1860er Jahre in Bonn niedergelassen hatte? Und wie Julius als Nachkömmling in der Familie Koenig, so wurde in derselben Rolle der (spätere) Worpsweder Edwin 1883 mit erheblichem Altersabstand in die Koenemannfamilie in Bonn geboren. Und um die eigenartigen Zufälle fast auf die Spitze zu treiben, konnte ermittelt werden, dass die von den (vorwiegend russisch sprachig aufgewachsenen) Söhnen der Koenigs zeitweise besuchte Privatschule in Bonn in der Weberstraße lag, in einer Straße, in der die Koenemanns zwischen 1873 und 1884 gewohnt haben. Offen ist bisher der Nachweis darüber, ob einige der Jungen der Koenemanns ebenso wie einige der Jungen der Koenigs in Bonn zeitweise das Königlich-Preußische Gymnasium (das heutige Beethovengymnasium) besucht haben. Ausgeschlossen ist es nicht, denn die Auswahl an Bildungsstätten war nicht groß. Unzweifelhaft ist hingegen, dass die Familien derselben evangelischen Kirchengemeinde in Bonn angehörten, und zwar zur Kreuzkirche,[5] in der nachweislich Edwin Koenemann getauft worden ist. Bei Julius Koenig, dem Jüngsten aus der Familie Koenig, ist ebenfalls davon auszugehen.

Signet der Lese- und Erholungsgesellschaft Bonn; gemeinfrei

Und nun zu einer weiteren einschneidenden Parallele – oder war es doch nur wieder ein Zufall? Wie die Koenigs haben nämlich auch die Koenemanns Bonn wieder verlassen, nicht 1883 wie die Koenigs, sondern 1884. Allerdings begaben sie sich nicht an die Riviera. Sie zogen nach Wiesbaden.[6] Doch halt: Wieder nur purer Zufall? Dort besaß der zweitjüngste Sohn der Koenigs, Friedrich, ein Haus, das er wiederholt aus gesundheitlichen Gründen aufgesucht und für längere Zeit bewohnt hat.

Ist es bei diesem mehrmaligen zeitlichen bzw. örtlichen Zusammentreffen von Ereignissen eigentlich so abwegig, zwischen den Familien Koenig und Koenemann mindestens eine gute Bekanntschaft anzunehmen? Ein weiterer Beleg dafür ist, dass sowohl Leopold Koenig als auch Alexander Koenemann[7] Mitglied in der 1787 gegründeten (und heute noch existierenden) Lese- und Erholungsgesellschaft (kurz: Lese) waren, einem Verein, in dem sich (bis 2019 ausschließlich) Männer aus dem aufstrebenden Bildungsbürgertum zur Diskussion und Geselligkeit trafen. Die Gesellschaft, der neben vielen Universitätsprofessoren auch weitere Persönlichkeiten aus der Bonner Prominenz angehörten (wie z.B. Friedrich Schlegel oder Ernst Moritz Arndt), entwickelte sich bald zum kulturellen Zentrum in Bonn. Das Signet zeigt einen Bienenstock, in den fleißige Bienen den (Wissens-)Nektar sammeln.

Villa Prieger; gemeinfrei

Allerdings muss hier relativierend eingefügt werden, dass die Familien Koenig bzw. Koenemann trotz der hier aufgezeigten tatsächlichen bzw. wahrscheinlichen Verbindungen und Kontakte und auch des beiderseits vorhandenen Wohlstands doch letztendlich – sport-technisch ausgedrückt – gesellschaftlich in zwei verschiedenen Ligen spielten, was sich nicht zuletzt in einem doch deutlich unterschiedlichen Renommee bzw. der gesellschaftlichen Kontaktrate niederschlug.

In Bezug auf die Koenemanns ist anzunehmen, dass die Kontakte wahrscheinlich überwiegend der Familie und Verwandtschaft galten, Kontakte zu herausgehobenen Persönlichkeiten, z.B. aus der Wirtschaft oder der Kultur, aber wohl nicht in dem Maße wie bei den Koenigs vorhanden waren. Letzteren eröffnete allein die prominente Wohnlage am Rhein im Südviertel Bonns ganz andere Möglichkeiten. In der unmittelbaren Nachbarschaft waren dort bereits vor ihrer Ankunft in Bonn an der Coblenzer Straße (heute Adenauerallee) in einer Region, die vormals überwiegend aus Gärten, Wiesen und Äckern bestand, Villen und Parkanlagen entstanden, deren Besitzer dem gesellschaftlichen Habitus der Koenigs zweifellos sehr nahe standen. Und diese bauliche Dynamik setzte sich während der Jahre ihrer Anwesenheit in Bonn fort.

Villa Böker/Selve, Straßenfront; gemeinfrei

Herauszuheben sind hier die unmittelbaren Nachbarn, die Loeschigks, Priegers und Bökers,[8] zu denen sich zwischen den Kindern und Ehepaaren intensive Kontaktraten, ja sogar Freundschaften entwickelten.

Die für die Familie des Arztes Dr. Oskar Prieger zwischen 1864 und 1866 gebaute Villa lag inmitten eines von der Coblenzer Straße bis zum Rhein reichenden Parks nördlich neben der damaligen Villa Koenig.

Auf der anderen, der südlichen Seite des ausgedehnten Parkgrundstückes der Villa Koenig war in den Jahren 1872/73 eine Villa für den Bauherrn Hermann Heinrich Böker, einen Messerfabrikanten aus Remscheid, entstanden. Nach weiteren Eigentümern (u.a. der Unternehmer Gustav Selve) sowie nach Kriegsschäden wurden die verbliebenen Gebäudeteile dieser Villa abgerissen und das Grundstück in den 1960er Jahren mit dem sogenannten Kanzler-Teehaus sowie dem Kanzlerbungalow bebaut.

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Kanzlerbungalow; CC BY 3.0

Eine besonders enge räumliche und private Verbindung bestand zwischen den Koenigs und der Familie des direkten Nachbarn, dem deutsch-amerikanischen Tuchfabrikanten Wilhelm (William) Otto Loeschigk (1808-1887). Dieser hatte, heimgekehrt nach Deutschland, im Jahre 1860 das auf dem Areal stehende Gebäude in Stil und Größe eines barocken Lustschlosses gekauft. Der Aachener Rentier und frühere Tuchmacher Aloys Knops hatte es dort zwei Jahre zuvor erbauen lassen. 1890, drei Jahre nach dem Ableben des langjährigen Besitzers Loeschigk, wurde das Anwesen an die Erben des Prinzen von Schaumburg-Lippe verkauft. Nach einigen Um- und Anbauten wurde die repräsentative Stadtvilla schließlich zum Palais Schaumburg und ab 1949 zum Bundeskanzleramt. Aktuell dient das Gebäude als zweiter Dienstsitz des Bundeskanzlers.

Villa Loeschigk; gemeinfrei
Palais Schaumburg; © Public Domain

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Erwähnenswert ist, dass besagter Wilhelm Loeschigk während seiner Berufstätigkeit in New York einen Geschäftspartner hatte. Es war Otto Wesendonck, mit dem er dort einen florierenden Seidenhandel betrieb, und beide waren in diesem Metier bzw. ihrem gemeinsamen Unternehmen außerordentlich wohlhabend geworden. Bedeutsamer als dieser berufliche Sachverhalt aber ist der kulturhistorische. Die Ehefrau seines geschäftlichen Kompagnons war nämlich die Schriftstellerin Mathilde Wesendonck (1828-1902).

Mathilde Wesendonck, Gemälde von K.F. Sohn 1850; gemeinfrei

Wesendonck-Lieder[9]; gemeinfrei

Manch einer wird bei Kenntnisnahme dieses Namens an Richard Wagner und die von ihm komponierten Wesendonck-Lieder denken. Und in der Tat hat Wagner 1857/58 fünf Gedichte Mathilde Wesendoncks für Frauenstimme und Klavier vertont.

Zur Entstehungsgeschichte dieser Komposition ist festzuhalten, dass das Ehepaar Wesendonck, die sich nach ihrer Rückkehr aus den USA in Zürich niedergelassen hatten, seit 1852 mit Richard Wagner in Freundschaft verbunden waren. Dazu gehörte, dass die Wesendoncks Wagner nicht nur großzügig finanziell unterstützten, sondern ihm auch – als dieser im Zuge der Revolutionswirren nach 1848 in Deutschland in politische Schwierigkeiten geraten war – in Zürich ein Fachwerkhaus auf ihrem Grundstück als „Asyl“ und Wohnstätte zur Verfügung stellten. Nicht zuletzt aufgrund dieser räumlichen Nähe war zwischen Richard Wagner und Mathilde Wesendonck eine tiefe Seelenverwandtschaft bzw. enge platonische Beziehung entstanden. Zumindest Wagners Ehefrau Minna hegte daran Zweifel, vermutete mehr zwischen den beiden und sorgte für einen Eklat, der die Beziehung abrupt beendete. Wagner verließ Zürich, um in Venedig den Konflikt zu verarbeiten. Das Ergebnis ist die Komposition der Oper „Tristan und Isolde“, in der die beiden Liebenden Tristan (Wagner) und Isolde (Mathilde) auf der Erde nicht zueinander finden, da zwischen ihnen König Marke (Wesendonck) steht.

Obwohl die Wesendoncks nie in Bonn gewohnt haben, gab es über die Kinder sowie Verwandte, die in Bonn studiert und gelebt hatten, zahlreiche Verbindungen zur Stadt, die sogar dazu geführt haben, dass sie dort ihr Familiengrab errichteten, übrigens nach Meinung vieler eines der schönsten auf dem denkmalgeschützten Alten Friedhof ganz in der Nähe der Grabstätte von Robert und Clara Schumann.

Nach diesem durch die Nachbarn der Koenigs ausgelösten kurzen Einblick in einen Teil der  Kulturlandschaft nun aber die Rückkehr zum Ausgangspunkt. Leopold Koenig, seine Frau Caroline und der in Bonn geborene jüngste Sohn Julius, der wie seine Mutter besonders unter dem Bonner Klima gelitten hatte und schwer asthmakrank war, verließen im Jahre 1883 die Stadt und begaben sich an die Riviera nach Cannes. Aber auch der dortige Verbleib war nicht von Dauer. Nach weniger als zehn Jahren kehrten sie nach St. Petersburg zurück. Caroline verstarb dort 1894 im Alter von 66 Jahren, Leopold folgte ihr 1903 im Alter von 82 Jahren. Schon während ihrer Lebzeiten hatten sie  die angemessene Versorgung ihrer Kinder in die Wege geleitet. Sie konnten dabei auf Vermögensbestandteile (u.a. Immobilien, Barvermögen) zurückgreifen, deren Verfügungsmasse im Jahre 1913, also lange nach ihrem Tode, nach Schätzungen immer noch einen Gesamtwert von (umgerechnet) drei Milliarden Euro und zusätzlich 40 Millionen Euro an Aktien und Anleihen ausmachte (vgl. Böhme 2016).

Die Versorgung der (männlichen) Nachkommen

Der wirtschaftlich ungemein erfolgreiche Leopold Koenig konnte sich seinen Kindern gegenüber also außerordentlich großzügig zeigen. Bekannt ist, wie er zumindest die erwähnten Söhne alimentierte (vgl. Böhme, W. 2016). Einige Beispiele sollen hier ausgewählt werden, obwohl in ihnen – abweichend vom thematischen Kern – keine direkten oder mittelbaren Bezüge zu den Koenemanns enthalten sind. Immerhin sind aber wenigstens – wen mag es verwundern beim „Weltort der Kunst“ – gewisse Verknüpfungen mit Worpswede auszumachen.

Hertha Koenig; gemeinfrei

Im selben Jahr 1874, in dem sich Leopold Koenig im fruchtbaren Schwarzerdegürtel der Ostukraine ein neues, lukratives Geschäftsfeld erschloss, erwarb er für seinen erstgeborenen Sohn Karl, der zu dieser Zeit gerade einmal 25 Jahre alt war, das Wasserschloss Gut Böckel bei Herford in Westfalen. Dieser Sachverhalt wäre hier nicht der besonderen Erwähnung wert, wenn dort nicht 1884 als Tochter von Karl Koenig die spätere Lyrikerin, Kunstsammlerin und Mäzenin Hertha Koenig geboren worden wäre. Hertha Koenig lebte, abgesehen von einigen Jahren in München, wo sie einen Künstlersalon gründete, ab 1927 aber bis zu ihrem Tode 1976 dauerhaft auf Gut Böckel.

Schon 1910 hatte sie in Berlin Rainer Maria Rilke (zusammen mit Clara Rilke-Westhoff) kennengelernt, ihm dann 1915 in München einmal für Monate ihre Wohnung zur Verfügung gestellt, in der damals die ersten Gemälde ihrer Picasso-Sammlung hingen. Unterkunft gewährte sie Rilke, der inzwischen zum Freund und Vertrauten geworden war, noch einmal im Sommer bis Herbst 1917 auf Gut Böckel, wo er in einem Turm unterkam, der seitdem als Rilketurm bezeichnet wird.

Die Freundschaft zu Rilke schlug sich in mehreren Werken nieder, darunter Gedichtsammlungen, deren Herausgabe er maßgeblich unterstützte, sowie in vielbeachteten Erinnerungsbüchern über Rilke und über dessen Mutter. Auf Seiten Rilkes erhielt die Freundschaft zu Hertha Koenig ihren besonderen Ausdruck durch die ihr gewidmete fünfte Duineser Elegie.

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Gut Böckel mit dem Rilketurm; gemeinfrei

Bedingt durch den ererbten Wohlstand war es Hertha Koenig möglich, eine ansehnliche Kunstsammlung aufzubauen. Neben den Picassos, deren Erwerb übrigens auf eine persönliche Begegnung mit dem Künstler in Paris zurückgeht, gehören noch Werke Franz Hodlers, Emil Noldes und Paul Klees, auch zwei Gemälde Heinrich Vogelers (Am Teich I und Sommergarten, beide 1913 gemalt).

Einband zu „Neue Gedichte“ von Hertha Koenig, 2007

Zu Heinrich Vogeler gab es darüber hinaus noch eine – wahrscheinlich nur kurze – persönliche Verbindung. Aus einem Briefwechsel im Juli 1913 mit dem Insel-Verlag in Leipzig geht hervor, dass er sich in Absprache mit Hertha Koenig darum bemühte, einen kleinen Gedichtband, ausgeschmückt mit sieben seiner Zeichnungen, verlegen zu lassen. Obwohl Heinrich Vogeler vorher schon verschiedentlich mit dem Insel-Verlag zusammengearbeitet hatte, kam das Projekt aber nicht zustande. Die Zeit des Jugendstils war 1913 offensichtlich vorbei, übrigens eine Erfahrung, die Vogeler im selben Jahre schon im Zusammenhang mit Rainer Maria Rilkes Gedichtband Marien-Leben, zu dem er Zeichnungen entworfen hatte, machen musste. Am Rande sei erwähnt, dass das gescheiterte Buchprojekt zwischen Hertha Koenig und Heinrich Vogeler knapp 100 Jahre später durch die Herausgabe des Gedichtbandes „Neue Gedichte“ mit sieben Zeichnungen sowie einem Exlibris von Heinrich Vogeler als „Rekonstruktion eines Buchprojektes von 1913“ realisiert worden ist (Bielefeld 2007).

Dass Leopold Koenig einem seiner weiteren Söhne, und zwar Alexander (1858-1940), in Bonn gegenüber der Villa Koenig anlässlich der Promotion und Heirat 1884 ein repräsentatives Grundstück mit Villa schenkte, auf dem der naturkundlich interessierte Sohn in Etappen, freilich auch mit vielen Schwierigkeiten aufgrund der politischen Umstände, schließlich das weltweit bekannte Zoologische Forschungsinstitut und Museum Koenig schuf (vgl. Hutterer 2008), muss hier erwähnt werden.

Museum Koenig in Bonn, Hauptgebäude; CC BY-SA 3.0 de

Hinzu kam, dass Alexander Koenig nach dem Tode des Vaters aus dem Erbe noch das Gut und Schloss Blücherhof in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 1904 erwarb und dort ein großes Arboretum anlegte. Da aber die im Thema vorgesehene Nähe zu einem der Koenemanns oder gar zu den Worpsweder Künstlerkreisen in diesem Falle nicht besteht, soll es hier mit der Erwähnung sowie mit Abbildungen seine Bewandtnis haben.

Blücherhof; CC BY-SA 3.0

Das stellt sich anders dar, wenn es um die Alimentation des zweitgeborenen Sohnes, nämlich von Leopold II (1852-1912), geht. Leopold II war in die Textilindustrie eingestiegen. 1883 hatte er die zehn Jahre zuvor vom Vater in St. Petersburg gegründete Baumwollspinnerei übernommen und zu großem Erfolg geführt. Obwohl die dort produzierten Produkte im gesamten Zarenreich verkauft  und auf internationalen Messen mit höchsten Auszeichnungen bedacht wurden, hatte die im Jahre 1900 ausgebrochene Wirtschaftskrise drei Jahre später den Bankrott des Unternehmens zur Folge. Wie sein älterer Bruder Karl (s. Gut Böckel) emigrierte auch Leopold nach Deutschland, ließ sich nach dem Tode des Vaters (1903) sein Erbteil auszahlen und erwarb daraus die klassizistische Villa Alwind (auch als Schloss Alwind bezeichnet) in Lindau am Bodensee.

Villa Alwind in Lindau; CC BY-SA 3.0

Dieser Sachverhalt hätte hier auch relativ kurz abgehandelt werden können, gäbe es da nicht einen Umstand, der – auf einem etwas verschlungenen Weg – nach Worpswede bzw. nach Fischerhude  führt. Befasst man sich nämlich mit der Genealogie dieses Zweigs der Familiendynastie Koenig, so trifft man auf Leopold Koenigs Urenkelin Kyra Ebrecht (1916-2019), die mit 103 Lebensjahren ein biblisches Alter erreichte. Ihr Schwiegervater George Ebrecht (1895-1977), der im Dritten Reich eine herausgehobene Karriere machte, schon 1922 erstmals in die NSDAP eingetreten war, nach Auslandsaufenthalten (u.a. als Sisalpflanzer in Ostafrika) später führende Rollen in der SS als SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei einnahm, 1935 Gründungsmitglied des Vereins „Deutsches Ahnenerbe“ und beim Lebensborn e.V. war, hatte daneben eine Vergangenheit, die ihn mit unserer Region in Verbindung gebracht hatte.

Als Nationalsozialist der ersten Stunde war er mit dem aus Quelkhorn stammenden Heinrich Peper, stellvertretender Gauleiter Ost-Hannover, bekannt geworden und zeitweilig dessen Adjutant gewesen (vgl. Woock 2019). Und da er von 1912 bis 1914 die Kunstakademien in Berlin und Dresden besucht hatte, war er 1914 kurzzeitig und nach Ende des Ersten Weltkrieges zwischen 1918 und 1923 längerfristig Malschüler bei Otto Modersohn in Fischerhude. Nach Aufenthalten in Afrika kehrte er als Maler bis 1933 nach Fischerhude zurück (vgl. seine Tagebuchaufzeichnungen bei Woock 2019, S. 224f.). Ein bei Ebay präsentiertes und zum Kauf angebotenes Werk „Worpsweder Landschaft“ wird mit dem Werbehinweis versehen, dass ein sehr feiner Pinselduktus erkennbar wäre, der in der technischen Ausführung an Heinrich Vogeler erinnere.[10]

Die weitere Familie König

An dieser Stelle soll nun eine Irritation beseitigt werden. In verschiedenen Publikationen sowie im Internet wird von einer weiteren Familie König berichtet, die enge verwandtschaftliche Verbindungen zur Familie des Zuckerkönigs Leopold Koenig aufwiese. Im Blickpunkt stehen dabei Fritz (Friedrich Wilhelm) König (1826-1905) und dessen Sohn Alfred Bernhard Hermann König (1859-1898). Sie werden mit nahen Verwandtschaftsgraden, nämlich als Bruder bzw. Sohn, im Verhältnis zu Leopold Koenig bedacht (vgl. u.a. Butkus 2010). Dass der Nachname des einen mit oe, des anderen mit ö geschrieben wird, spielte bei den Zuschreibungen offenbar keine Rolle.

Klammert man substantielle Teile ihrer Biographien aus, so mag es tatsächlich einige Parallelen geben, die eine Verwandtschaft nahelegen könnten. Ausgangsobjekt ist dabei das Rittergut Voldagsen bei Hameln.

Rittergut Voldagsen; CC BY-SA 3.0

Der erwähnte Fritz König erwarb 1880 das Anwesen bei einer Zwangsversteigerung für einen ansehnlichen Betrag und übertrug es seinem Sohn Alfred. Er folgte hier dem Beispiel seines Namensvetters Leopold, der ja auch – wie wir erfahren haben – seine Söhne großzügig u.a. mit Hofgütern bzw. Schlössern alimentierte. Hinzu kommt, dass bei diesem Erwerb der Immobilie der Käufer Fritz König in den Akten als „Rentier“ aus Bonn firmiert. Recherchen ergaben, dass er dort mit seiner Frau Aletta seit 1869 gemeldet war. Leopold war, wie erinnerlich, im Jahre 1867 nach Bonn gezogen, er mit Familie aus St. Petersburg, Fritz und Familienangehörige aus New York, wo er Direktor und Mitinhaber des Gummiunternehmens Poppenhusen und König war.

Beide behielten daneben noch ihre anderen Wohnsitze, der eine in St. Petersburg und in der Ukraine, der andere in Bad Harzburg sowie Dresden bei. Und beide Familien gaben den Wohnsitz Bonn nach Jahren wieder auf, Leopold schon 1883, Fritz erst im Jahre 1900. In Bonn hatten sich beide Familien bis dahin komfortabel niedergelassen, und zwar beide in der Coblenzer Straße: Leopold in einer Villa, die später unter dem Namen „Villa Hammerschmidt“ einmal Sitz des deutschen Bundespräsidenten werden sollte, Fritz in einer gleichermaßen feudalen Villa, die der deutsche Kaiser später für den in Bonn studierenden Kronprinzen wegen der Größe nur zu einem Viertel erwarb.

Und dass beide für die Gestaltung ihrer Garten- und Parkanlagen in Bonn – Fritz darüber hinaus auch in Voldagsen – den damals bekannten Gartenarchitekten Rudolph Jürgens engagierten, füllt das Maß an Parallelen deutlich. Hinzu kam schließlich für beide ihr soziales Gewissen: Mit einem Teil ihres Vermögens ließen sie es sich angelegen sein, auf den unterschiedlichsten Sektoren wohltätig zu wirken, d.h. sie finanzierten ganz oder anteilig den Bau von Krankenhäusern, Schulen sowie Kirchen, und sie etablierten Stiftungen. Leopold erhielt dafür vom Zaren den Ehrentitel „Wirklicher Staatsrat des Russischen Reiches“ zuerkannt, Fritz und seine Frau wurden zu Ehrenbürgern in Bad Harzburg.

All das mag dazu gedient haben, aus den vorhandenen biographischen Gemeinsamkeiten eine Verwandtschaft abzuleiten. Sie ist und bleibt jedoch ein Konstrukt, sie ist aber schlicht falsch! Betrachtet man nämlich die biographischen Daten und die Genealogie der Familien genauer, wird schnell offenbar, dass außer den aufgezeigten Parallelen und dem (fast gleichen) Namen nichts bleibt. Den Autoren, die die falschen Konstrukte in die Welt und in ihre Texte gesetzt hatten, wären sorgfältigere Recherchen anzuraten gewesen.

Allein das Herkommen der beiden Protagonisten hätte ihnen die Augen öffnen müssen: Leopold Koenig stammte aus einer zur Auswanderung nach Russland genötigten Familie eines einfachen Bäckergesellen aus Gebesee in Thüringen. Fritz König entstammte einer angesehenen Advokatenfamilie in Osterode am Harz. Sein Vater, Georg Friedrich König (1781-1848), hat in der deutschen Verfassungsgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt, gilt er doch als einer der Wegbereiter der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 und der demokratischen Verfassung. Sein Engagement, den Menschen Grund- und Freiheitsrechte zu gewähren und die nationale Einheit herzustellen, brachte ihm allerdings eine 10jährige Zuchthausstrafe ein und veranlasste seinen Sohn Fritz, 1849 Deutschland in Richtung Amerika zu verlassen.

Schlussbemerkungen

Die Beschäftigung mit der Geschichte, hier mit ausgewählten Sachverhalten aus der Familienbiographie des Edwin Koenemann, hat einiges zu Tage gefördert, was bislang unbekannt war. Es hat mir die Gelegenheit verschafft – als Beispiel möge der zuletzt geschilderte fahrlässige  Umgang mit der historischen Wahrheit dienen – auch im Internet bei Wikipedia einiges zu korrigieren. Auch ich selbst musste einige Sachverhalte richtigstellen, d.h. wir sind immer gehalten, unsere Arbeit zu überprüfen.

Daneben aber habe ich auch erfahren dürfen, was diese Arbeit ebenfalls bewirkt: Sie hat mir nämlich erneut offenbart, welches Glück es ist, in Worpswede zu wohnen. Wiederholt waren nämlich Bezüge in den Künstlerort vorhanden. Sie machten Geschichte greifbar, schufen Nähe und Unmittelbarkeit.

Und ein Letztes habe ich auch erfahren: Unvermutete Verbindungen zur eigenen Biographie. Als ich über die „anderen“ Königs arbeitete, in erster Linie über das Rittergut Voldagsen und seine Geschichte, wurden für mich Bilder meiner Lebensgeschichte sichtbar und ins Gedächtnis gerufen.

Kartenausschnitt aus Ith-Hils-Karte Etappe 07

                             

Da ich nach dem Kriege in Lauenstein am Ith aufgewachsen bin, etwa drei Kilometer von Voldagsen entfernt, wurden Erinnerungen wach: Voldagsen als unser Umsteigebahnhof, wenn wir in die Kreisstadt Hameln fahren wollten  – vom Bahnsteig immer mit Blick auf das nahe Rittergut. Voldagsen und das Rittergut vor Augen, wenn ich im Grundschulalter meiner Mutter beim Rübenverziehen auf den Flächen des Lauensteiner Rittergutes Hof Spiegelberg half, damit das schmale familiäre Budget ein wenig aufgebessert werden konnte. Und schließlich unser kindliches Abenteuer, wenn wir im Waldgebiet beim Hohenstein im Ith mit Blick auf das Voldagser Rittergut Räuber und Gendarm spielten. Dabei immer auch die Erinnerungen an das mühsame Aufklauben der Bucheckern, um als Erlös dafür Margarine und Öl eintauschen zu können. Oder letztlich der Stolz, dass der Vater, der zwangsweise für eine Zeit als Waldarbeiter tätig sein musste, bevor er nach dem Kriege wieder in den Schuldienst kam, mit bewundernswerter Sorgfalt die Revierzahlen mit dem Pinsel und weißer Farbe an den Buchen im Ithwald aufgetragen hatte, die bis heute noch zu erkennen sind.

Nach all dem bin ich bestärkt in meiner Überzeugung, dass Geschichte sehr lebendig und die Beschäftigung damit äußerst anregend ist.

Literatur

– Böhme, W.: Die Familie des Leopold Georg (Jegorowitsch) Koenig, des „Zuckerkönigs von Russland“. In: Koenigiana Band 10 (2016) 1, S. 3-40

– Borleffs, J.: König/Konig und angeheiratete Familien. Rotterdam 1998

– Butkus, G. (Hrsg.): Gut Böckel. Mit Erinnerungen von Hertha Koenig. Bielefeld 2010

– Dahlmann, D.: Rußlands „Zuckerkönig“. Person der Geschichte. Leopold Koenig. In: Damals 32 (2000) 7, S. 60-65

– ders.: St. Petersburg, Bonn und Trostjanec. Leben und Werk von Leopold Koenig, Rußlands „Zuckerkönig“, von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1914. In: Dahlmann, D. u.a. (Hrsg.): Eisenbahnen und Motoren – Zucker und Schokolade. Deutsche im russischen Wirtschaftsleben vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Berlin 2005, S. 45-57

– ders.: Religion und Geschäft. Deutsche Unternehmer in Moskau und St. Petersburg von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1914. In: Gebhard, J. u.a. (Hrsg.): Unternehmer im Russischen Reich. Osnabrück 2006, S. 165-177

– Ehrhardt, F.: Fritz König (1826-1904[11]) ein Sohn des Advokaten und „Aufrührers“ Dr. Georg Friedrich König. In: Heimat- und Geschichtsverein Osterode/Harz und Umgebung e.V. (Hrsg.): Heimatblätter für den süd-westlichen Harzrand, Heft 42. Osterode 1986, S. 40-43

– Hutterer, R.: Auf Zucker gebaut – Alexander Koenig und sein Museum in Bonn. In: Koenigiana Band 2 (2008) 1, S. 3-8

– Koenig, H.: Neue Gedichte. Mit Zeichnungen von Heinrich Vogeler. Rekonstruktion eines Buchprojektes von 1913. Bielefeld 2007

– dies.: Der Zuckerkönig. Eine Familiengeschichte. Bielefeld 2012[12]

– Oesl, B. Und Hutterer, R.: Auf den Spuren von Leopold Koenig in Bonn. Bonner Geschichtsblätter 43/44 (1996), S. 383-398

– Woock, J.: Hitlers willige Helfer: Nationalsozialisten im Landkreis Verden. Folge 10: SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei George Ebrecht. In: Jahrbuch für den Landkreis Verden 2019, S. 223-251

Weitere Quellen

– Macco, H.F.: Geschichte und Genealogie der Familien Peltzer. Aachen 1901

– http://gw.geneanet.org/fsoloview

– http://www.keneman.com

– Private Mitteilungen

Bildnachweise

– Siehe die Angaben bei den Abbildungen

Anmerkungen


[1] Dieser Umstand, im Namen ein oe (oder ein ö) zu haben, schafft im Russischen beim Sprechen und im Kyrillischen beim Schreiben gewisse Probleme, da es in der Sprache bzw. im Alphabet keine Umlaute gibt. Die Russen sprechen deshalb das deutsche oe oder ö als jo aus. Koenig wird also zu Kjonig, Koenemann zu Kjonemann. Aus dem Kyrillischen transkribiert wird dieses jo als e mit einem Trema geschrieben, also ë. Aus Koenemann wird Këneman (mit nur einem n am Ende).

[2] Dass die genaue Anzahl differiert, liegt wohl daran, dass einige der Geschwister tot geboren worden sind bzw. nur eine kurze Lebensdauer hatten.

[3] Der Einbau derartiger Grotten war zu dieser Zeit außerordentlich beliebt. Die Nibelungengrotte veranschaulichte eine Szene aus Richard Wagners Rheingold. Sie wurde – wie die später erwähnten beiden Türme der Villa – 1950 zur Zeit des Bundespräsidenten Heuss abgerissen.

[4] Der Kaufpreis, den Hammerschmidt an Leopold zu entrichten hatte, betrug 700.000 Mark. Das war mehr als das Dreifache des Kaufpreises von 1867, zumal bei der Einführung der Mark als Reichswährung 1871 der Taler zu 3 Mark berechnet wurde (vgl. Oesl, B. und Hutterer, R. 1996, S. 395). Und Leopold hatte die Villa für 75.000 Taler erworben.

[5] Die Kreuzkirche war 1866 neu gebaut worden. Leopold Koenig hatte dafür einen größeren Betrag gespendet, und er war auch Mitglied der Gemeindevertretung.

[6] Wiesbaden hatte sich seit der Annektion des Herzogtums Nassau durch Preußen im Jahre 1866 zu einem Luxus- und Modebad entwickelt, das neben aristokratischen Badegästen vor allem auch viele vermögende Rentiers dazu bewegte, sich in der Stadt niederzulassen.

[7] Bezüglich Alexander Koenemanns Mitgliedschaft vgl. eine Mitteilung aus dem Stadtarchiv Bonn vom 5. April 2023, wonach er seit 1873 außerordentliches und seit 1877 ordentliches Mitglied der „Lese“ in Bonn gewesen ist. In Bezug auf Leopold Koenigs Mitgliedschaft siehe Oesl, B und Hutterer, R. 1996, S. 390f.

[8]  Auch Wilhelm Loeschigk, Oskar Prieger und Hermann Heinrich Böker waren Mitglieder der „Lese“ in Bonn (vgl. Oesl, B. und Hutterer, R. 1996, S. 391), also sicher für Edwin Koenemanns Vater Alexander keine Unbekannten.

[9] Die Lieder wurden vom Musikverlag C. F. Peters mit einem Schreibfehler im Nachnamen (Wesendonk) veröffentlicht.

[10] Der dort ebenfalls vorhandene Hinweis, dass Ebrecht auch Malschüler bei Fritz Mackensen in Worpswede gewesen sei, ist – so Woock (2019, S. 225) – falsch.

[11] An dieser Stelle ist bei den Lebensdaten ein Fehler enthalten: Fritz (Friedrich Wilhelm) König ist nicht im Jahre 1904, sondern am 26. Februar 1905 verstorben.

[12] Dieser Roman von Hertha Koenig erschien erstmals unter dem Titel „Der Fährenschreiber von Libau. Eine Familiengeschichte“ im Neske Verlag Pfullingen 1964.