Um 1900 war eine Reise nach Worpswede noch beschwerlich, wie auf den Gemälden der „Alten Worpsweder” zu sehen ist: es gab nur Sandwege, auf denen mühsam Pferdewagen fuhren, sowie die Moorkanäle, die ursprünglich für die Entwässerung des Moorgebietes vor 250 Jahren von Moorkommissar Findorff angelegt wurden und einen wichtigen Transportweg für die Torfschiffe nach Bremen abgaben, die auch Reisende mitnahmen. Im Zuge der Industrialisierung ergaben sich jedoch andere Problemstellungen, denn in der Nähe Gnarrenburgs, nicht weit von hier im Norden, benötigte eine Glasfabrik dringend Transportwege für schwere Lasten, um Rohstoffe heranzubringen und ihre Produkte zu versenden. Eine Eisenbahn war die Lösung. Doch die Reichsbahn sah keinen ausreichenden Profit in der Strecke und verzögerte den Baubeginn. Es waren die hiesigen Landräte, die sich für eine Privatbahn stark machten, und so ist es bis heute: Das Streckennetz untersteht nicht der Bundesbahn, sondern gehört größtenteils dem Land Niedersachsen, sowie den anliegenden Landkreisen. Durch die Gleisführung in Normalspur können auch Bundesbahnzüge die Strecke nutzen, ebenso können Züge der Kleinbahn in das Streckennetz der Bundesbahn überwechseln.
Als die Pläne zum Bau der Eisenbahnlinie Bremervörde-Osterholz aufkamen, waren die Bevölkerung und der „Verschönerungsverein” nicht davon angetan: Man befürchtete eine Zerstörung der bislang unberührten Natur, eine Zerteilung der Landschaft durch Brücken und den Bau von Dämmen, auf den die Gleise verlegt werden sollten.
Andererseits versprach man sich eine bessere Anbindung an Bremen, und damit auch mehr Besucher im Ort. Die Künstler waren besonders besorgt darüber, daß man sich seitens der Bauplaner so wenig Mühe gab, an eine landschaftsgerechte Gestaltung der Bahnhöfe zu denken: es wurden in der Planung einfach vorhandene Bahnhöfe in der passenden Dimension abgekupfert. So wurde spontan Hilfe angeboten, und der damals schon berühmte Worpsweder Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler erhielt den Auftrag für mehrere Bahnhöfe an der Strecke.
Zusammen mit seinem Mitarbeiter Alfred Schulze entwarf er eine Reihe von Gebäuden, von denen der Worpsweder Bahnhof der kunsthistorisch interessanteste ist. Zu Weihnachten 1910 wurde er eingeweiht. Vogeler sah in der Präsentation von Gebäude und Innenausstattung in seinem selbst kreierten „Worpsweder Jugendstil”, einer Symbiose von Stilkunst und bäuerlichen Gestaltungs–elementen, eine gute Ausstellungsmöglichkeit, die schon damals von den Besuchern beachtet wurde und bis heute die Gäste begeistert. Das Gebäude selbst und die komplette Innenausstattung, von den Möbeln bis zu den Wandgestaltungen, stammen von Heinrich Vogeler und wurden zum Teil speziell für den Bahnhof konzipiert.
Was hat der Verein der „Freunde Worpswedes e.V.” mit dem Bahnhof zu tun? Der Verein basiert auf dem kurz nach der Jahrhundertwende von Worpsweder Bürgern, Landwirten wie Kaufleuten und Künstlern gegründeten „Verschönerungsverein Worpswede”, unter ihnen Heinrich Vogeler, der bis 1912 auch Vorsitzender war. Er entwarf auch das Vereins–emblem, das heute noch in Gebrauch ist.
Mitglieder und fördernde Sympathisanten, die inzwischen aus ganz Deutschland sowie anderen Nachbarländern stammen, sind bemüht, die wesentliche Struktur des Ortsbildes soweit möglich zu erhalten. Gerade der Worpsweder Bahnhof war und ist neben der Windmühle und der „Käseglocke” ein wichtiges, erhaltenswertes Bauwerk. Als der regelmäßige Personenverkehr eingestellt wurde, war zu befürchten, daß der sanierungsbedürftige Bahnhof einer ungeeigneten Fremdnutzung anheimfiele, wie andere Objekte ähnlicher Art vorher.
Da sprangen die „Freunde Worpswedes” ein und pachteten den Bahnhof, um dann in Absprache und mit Unterstützung der Denkmalpflege durch behutsames Sanieren das Bauwerk in seiner alten Schönheit erstrahlen zu lassen. Zwei Jahre dauerten die Sanierungsarbeiten. In dieser Zeit gelang es, den historischen Bestand an Möbeln aufzufüllen. Auf Auktionen und aus anderen stillgelegten Bahnhöfen konnten die „Freunde“ Stühle, Tische und Bänke erwerben. Gleichzeitig gelang es mit detektivischem Spürsinn, die ursprüngliche Schablonen-Wandmalerei zu restaurieren und Tapeten in der ursprünglichen Anmutung neu aufzubringen. Hilfreich waren da beispielsweise Farbreste, die hinter Einbaumöbeln gefunden wurden. Geschmückt wurden die Gasträume wieder mit Bildern der Worpsweder Maler, die sie 1910 dem Bahnhof widmeten. Hinzu kamen als Schenkung von Bettina Müller-Vogeler Radierungen ihres Vaters Heinrich Vogeler. 1980 wurde der Bahnhof in seiner neuen alten Pracht vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht mit einem Festakt wiedereröffnet.
Auch wenn die Freunde Worpswedes mit ihren gastronomischen Unterpächtern nicht nur Glück hatten – der Ruf des Hauses, der Gaststätte und des Restaurants war und ist positiv – der Bahnhof galt und gilt als ein Ort, den Worpswede-Besucher gesehen haben müssen. Seit 1980 haben die Freunde sehr viel Geld in Grundrenovierungen, in neue Anlagen und zusätzliche Räume für öffentliche Zwecke investiert. Dazu zählt etwa der Dienstraum, der seit 1997 von der Gastronomie für kleinere Gesellschaften genutzt werden kann und wiederum mit Original Vogeler-Möbeln eingerichtet ist. Auch die sind auf Auktionen von den „Freunden“ erworben worden oder vom Vogeler-Enkel Hans-Georg Müller nach Plänen seines Großvaters nachgebaut worden.
Als großes Glück haben es die „Freunde“ empfunden, dass seit dem Jahr 2000 wieder der „Moorexpress“ auf den Schienen verkehrt. Der Worpsweder Bahnhof ist somit wieder zu einem beliebten Haltepunkt geworden, wenn die historischen Züge in den Sommermonaten planmäßig verkehren.
Nach den großen Sanierungsinvestitionen der Jahre 1989, 1996 und 1997 folgte im Jahr des hundertjährigen Bestehens (2010) eine neuerliche aufwendige Restaurierung der Außenfassaden des markanten Jugendstil-Gebäudes. Auch dafür haben die Freunde Worpswedes eine höhere fünfstellige Summe als finanziellen Beitrag geleistet. Drei Jahre später stieß der Verein aber an seine finanziellen Grenzen. Nach langjährigen juristischen Auseinandersetzungen mit einem Gastronomen stand 2013 ein erneuter Wechsel in der Leitung des Gastronomie-Betriebs an. Die „Freunde“ waren zwar juristisch erfolgreich, konnten aber die dem Verein zustehenden, erheblichen finanziellen Außenstände nicht eintreiben. Somit fehlte das Geld, um eine dringend notwendige Sanierung der Gasträume, der technischen Anlagen und der Funktionsräume umzusetzen. In dieser Situation haben sich die „Freunde“ im Herbst 2013 nach Verhandlungen mit der Besitzerin des Bahnhofs, der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB), aus dem langjährigen Pachtverhältnis zurückgezogen.
Seit April 2014 ist der Worpsweder Bahnhof wieder in Betrieb – ein bekanntes Worpsweder Gastronomen-Ehepaar hat Gaststätte und Restaurant übernommen. Die Möbel und die Bilder der „Freunde“ blieben im Bahnhof, weil sie einfach zu diesem Denkmal dazugehören. Zudem haben die EVB und die Betreiber des Hauses vielfach bekundet, dass sie sich der Tradition des Bahnhofs verpflichtet fühlen. In diesem Zusammenhang wurde mit den Freunden Worpswedes verabredet, dass es zukünftig in allen Fragen des Denkmalsschutzes und der kulturellen Nutzung des Hauses Kooperationen geben soll.