Ein geschätzter Autor als Musiker

In Worpswede kennt man Bernd Stenzig als Buchautor, von Vorträgen und Berichten für unsere Internetzeitung. Der in Rosengarten bei Hamburg lebende Literaturwissenschaftler beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Leben und Werk von Heinrich Vogeler, interessiert sich vor allem für die Wandlungen des Künstlers im Denken und Handeln. Vogelers Beziehung zu Rainer Maria Rilke, die verstörende Erfahrung Vogelers als Soldat im 1. Weltkrieg, die der Künstler im berühmten Brief an den Kaiser zusammenfasste, die Suche nach neuen Leitbildern im Urchristentum, im Expressionismus und schließlich im Kommunismus – Bernd Stenzig, lange Jahre als Privatdozent an der Universität Hamburg tätig, hat alle diese und andere Stationen im Leben Vogelers erkundet und in der nötigen wissenschaftlichen Tiefe erforscht. Dadurch unterscheidet er sich von vielen Autoren, die sich mit den Gründerjahren der Worpsweder Künstlerkolonie und ihren Protagonisten befasst haben.

Als veritablen Posaunisten hat man diesen Wissenschaftler und Freund Worpswedes hierzulande noch nicht erlebt. Bei einem Sommerfest des Freundeskreises Haus im Schluh traten Bernd Stenzig und sein Bläserensemble nun im August 2019 auf. Das „Original-Streetz-Quartett“ erlaubt es sich, populäre Klassik und Schlager von gestern auf eine ganz eigene Art zu interpretieren. Dabei imponiert insbesondere die Unbefangenheit, mit der die Trompeter Sigrun Müller-Hagen und Peter Genkel, Lutz Hoffmann an der Tuba und eben Bernd Stenzig an der Posaune ihr einem älteren Publikum durchweg bekanntes Repertoire vorstellen. Das Quartett, das sich nach seinem Gründungsort im Wendland benannte, spielt Klassisches von Händel und Elgar, Schlager der 1920-ger und 1950-ger Jahre und auch schon mal ein Geburtstagsständchen, wenn sich’s anbietet.

Dabei tut es der Spielfreude der vier ambitionierten Amateurmusiker um ihren sachkundig-humorvollen Moderator Lutz Hoffmann keinen Abbruch, wenn mal ein Stück abgebrochen werden muss, weil die Tonarten auf den Notenblättern nicht übereinstimmen. Eine kurze neuerliche Absprache, und schon geht’s weiter im Programm. Das hat Charme, das zeigt, dass hier vier Musiker mit viel Herzblut die „leichte Muse“ pflegen. Der Beifall des Publikums auf der Wiese vor der Schluh-Weberei ist beinahe schon stürmisch und getragen von der Anerkennung für das Engagement des Quartetts, dessen Mitglieder die Musik sicht- und hörbar als ihr wunderbares Freizeitvergnügen erkoren haben.

Apropos Freizeitvergnügen: Eine solche ganztägige Veranstaltung wie das Sommerfest wird vom Freundeskreis Haus im Schluh komplett ehrenamtlich vorbereitet und durchgeführt, die von den Besucherinnen und Besuchern gespendeten Einnahmen werden vollständig für die Ausstattung des Museums und für den Erhalt der denkmalgeschützten Anlage zur Verfügung gestellt.

Seit mehr als 25 Jahren unterstützen mehrere hundert Mitglieder so den Betrieb des von einer Familienstiftung getragenen Museums. Etliche Freunde arbeiten zudem regelmäßig ehrenamtlich im Museum und am Wochenende in einem Café, das von den Besuchern mittlerweile gut angenommen wird. Damit ähnelt der Schluh in seiner Struktur den von den „Freunden Worpswedes“ getragenen Denkmälern Käseglocke und Mühle, die ausschließlich von ehrenamtlich tätigen Helferinnen und Helfern betrieben werden. Etabliert hat sich im Haus im Schluh zudem ein in Worpswede beispielloses Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Vorträgen und Filmvorführungen, das auch ausschließlich von Freiwilligen organisiert wird.

Das „Original-Streetz-Quartett“ wird über kurz oder lang erneut im Veranstaltungsprogramm des Schluh zu erleben sein. Und Bernd Stenzig wird dort absehbar erneut seine Erkenntnisse über Heinrich Vogeler und sein Umfeld referieren.


Original-Streetz-Quartett