Besuch in Silkeborg

Lilly Klöker (1896-1936) gehört zu den unbekannten Malerinnen, die im Laufe ihres Lebens nach Worpswede kamen, dort für kurze Zeit blieben und dann wieder zu neuen Ufern aufbrachen. Von ihr kannte man in Worpswede bisher lediglich zwei Gemälde – eine in Privatbesitz befindliche farbig-expressive, um 1922 entstandene Stadtansicht „Bremer Türme” und eine undatierte kleine Darstellung der „Heiligen Familie”, die im Worpsweder Archiv der Barkenhoff-Stiftung bewahrt wird. Nun sind überraschend in Dänemark vier weitere Gemälde aufgetaucht. Damit aber nicht genug: Im Asger Jorn-Museum Silkeborg fand sich zudem ein um 1922/24 in Worpswede entstandenes Selbstbildnis von Bram Van Velde mit dem Titel „Lichtmensch”.

Klöker van Velde-Jorn – diese Verbindung hat eine Geschichte. Lilly Klöker, als Sophie Caroline Klöker in Bassum (Landkreis Diepholz) geboren, kam 1922 nach Worpswede, fand dort bald Kontakt zu den gleichgesinnten Modernen Alfred Kollmar, Willy Dammasch und den Niederländer Bram van Velde. Ob die damals 26-jährige als Kunstinteressierte nach Worpswede kam, hier erst durch den Kontakt mit den hiesigen Künstlern zum Malen kam, oder ob sie bereits eine akademische Ausbildung mitbrachte, ist nicht bekannt. Die Verbindung zu van Velde muss besonders eng gewesen sein. Nach einer gemeinsamen Paris-Reise im September 1924 kehrte Willy Dammasch allein zurück nach Worpswede, Lilly Klöker und Bram van Velde aber blieben in der französischen Metropole, wo sie offiziell am 6. Oktober 1928 heirateten.

Diese ersten Pariser Jahre waren für das Paar durch ständige Geldnot, durch Konflike mit der Ausländerbehörde und durch das nahezu erfolglose Bemühen um Ausstellungen und den Verkauf von Bildern gekennzeichnet. Die Kunsthistorikerin Dr. Birgit Nachtwey hat für das 2007 erschienene Buch „…und sie malten doch! – Geschichte der Malerinnen Worpswede Fischerhude Bremen” die spärlichen bekannten Fakten zum gemeinsamen Leben des Paares zusammengetragen. So hat sich Lilly Klöker 1926 in Worpswede und Bremen vergeblich bemüht, Bilder Bram van Veldes zu verkaufen und erst 1927 im Graphischen Kabinett Bremen eine Ausstellung des Künstlers arrangieren können. Über deren ökonomischen Erfolg ist nichts bekannt. 1930 reiste das Paar von Paris auf die Insel Korsika, im Herbst 1931 zogen die Eheleute nach Mallorca, ohne dass sich bis dahin die wirtschaftliche Lage gebessert hätte. Aus bekannten Briefen Bram van Veldes weiß man heute, das Lilly Klöker weiter gemalt hat, dass sie vier Bilder an den Mäzen Eduard Kramers verkaufte. Schon im Sommer 1936 starb Lilly Klöker mit nur 40 Jahren – ein Behandlungsfehler bei einer Operation soll der Grund gewesen sein.

Bram van Velde ist dann nach Paris zurückgegangen, wurde als rein abstrakter Maler erfolgreich. 1961 übergab er sein dortiges Atelier an den dänischen Kollegen Asger Jorn, der als Mitglied der Künstlergruppe „Cobra” zu Ruhm und Anerkennung gekommen war. Und mit dieser Atelierübergabe ist er auch in den Besitz von Bildern gelangt, darunter Bram van Veldes Selbstbildnis und die Werke Lilly Klökers.

Als Jorn 1973 starb, vermachte er seinen aus über 5500 Einzelstücken bestehenden Kunstbesitz an die dänische Stadt Silkeborg nahe Aarhus, in der er aufgewachsen ist. Dort wurden Teile des Nachlasses, also Werke des Stifters und seiner berühmten Künstlerfreunde, zuerst in einem städtischen Museum und dann ab 1982 in einem großen Asger Jorn Museum gezeigt, das seit 1997 auch noch deutlich erweitert wurde. Als nun 2015 der mittlerweile pensionierte Gründungsdirektor dieses Hauses, Troels Andersen, eine Reise von Kunstfreunden aus Vejen nach Worpswede arrangieren wollte, wandte er sich auch an den Verein der Freunde Worpswedes und wies dabei im Verlaufe der Korrespondenz darauf hin, dass es in „seinem” Museum auch Bilder von Worpswedern gäbe, eben von Lilly Klöker und Bram van Velde.

Ein Besuch in Silkeborg brachte dann die Gewissheit. Kurator Lucas Haberkorn vom Asger Jorn-Museum, als Kulturwissenschaftler an der Universität Bremen ausgebildet, konnte den Worpswedern ein bislang hier unbekanntes hochformatiges Selbstbildnis Bram Van Veldes aus seiner Zeit in der Künstlerkolonie vorlegen.

Zudem befinden sich im Depot des Hauses vier Werke von Lilly Klöker, eines davon beidseitig bemalt. Diese expressiven Arbeiten unterscheiden sich im Stil und in den Motiven deutlich von den beiden bislang bekannten Bildern. Eine Darstellung von Sonnenblumen ist wahrscheinlich noch in Worpswede entstanden, die anderen unbetitelten auf Leinwand und Pappe gemalten Ölbilder sind auf die mallorquinische Zeit datiert (1934) und mit „Lilly Kloeker van Velde” bezeichnet.

In Silkeborg werden diese Bilder im Depot des beeindruckenden Museums verwahrt – wünschenswert wäre es, wenn sie irgendwann einmal in Worpswede Teil einer Ausstellung sein könnten.