20 Jahre Museum Käseglocke, 20 Jahre engagierter Einsatz für ein Juwel

Ein Gespräch von Katharina und Peter Groth mit Peter Elze


Man muss sich das mal vorstellen: Da hatten sich die Freunde Worpswedes im Frühjahr 1994 finanziell richtig krummgelegt, um den Kauf der Käseglocke zu ermöglichen. Und dann wäre dieser Traum beinahe geplatzt, weil die vergleichsweise lächerliche Summe von 5000 Mark zur Begleichung der Grunderwerbssteuer nicht zu beschaffen war.

Händeringend und kleckerweise hat der damalige Vorstand um Peter Elze den Betrag zusammengebettelt. Glücklicherweise klappte auch das, und am 1. Januar 1995 waren die Freunde Worpswedes Besitzer eines fast 3000 Quadratmeter großen Waldgrundstücks mit der Käseglocke, mit anderen baufälligen kleinen Gebäuden und reichlich Müll auf dem verwilderten Gelände. Mehr als sechs Jahre später, am 27. April 2001, wurde die Käseglocke als erstes und einziges Museum für Worpsweder Kunsthandwerk eröffnet. 20 Jahre nach diesem denkwürdigen Tag erinnert sich Peter Elze, dem die Freunde Worpswedes sowohl den Erwerb des ungewöhnlichen Bauwerks als auch wesentliche Teile der Inneneinrichtung verdanken, an die Gründungsphase.

Das merkwürdig runde Bauwerk im Wald an der Lindenallee kannten natürlich viele Worpsweder. Und von dem eigenwilligen Edwin Koenemann, der dieses Haus erbauen ließ, wussten die Menschen im Dorf auch so einiges zu erzählen. Der war aber schon im Mai 1960 gestorben. Bewohnt wurde die Käseglocke bis zu ihrem Tod 1993 von Editha Koenemann, der dritten Frau des Universalisten, der sowohl Schriftsteller wie Fremdenführer als auch Lebenskünstler war. Sie entstammte einer Altonaer Familie Voss, in der der Vater Küster und Organist in einem Stift, der Bruder Pastor am Hamburger Michel und die Schwester Opernsängerin war. Editha Voss wurde Lehrerin, arbeitete in Altona und nahm zwischenzeitlich für 3 Jahre eine Stelle an einer deutschen Schule in Bulgarien an. Sie kam 1938 nach Worpswede – reagierte auf eine von ihrem späteren Mann aufgegebenen Heiratsannonce und blieb bis an ihr Lebensende. Menschen, die sie kannten, beschrieben sie als eine kulturell interessierte und kluge Frau, die in der Einsamkeit des hohen Alters viel las, mit einem pensionierten Pastor, der auf der Heidwende wohnte, regelmäßig Schach spielte und täglich Kreuzworträtsel löste.

„Ich habe Editha Koenemann über Walter Schnepel kennengelernt. Schnepel hatte ein großes Interesse an der angewandten Kunst, besaß in Bremen die Firma Tecnolumen, die durch den Nachbau von Wagenfeld-Lampen und anderen Designer-Objekten bekannt wurde. Er hatte Kontakt zu Editha, war begeistert von der Käseglocke und von dem Keramiker Willi Ohler, der auf dem Nachbargrundstück in der Waldhütte lebte und im Obergeschoss der Käseglocke sein Atelier hatte. Walter Schnepel hat mich dann bei Editha eingeführt, und daraus wurde dann eine richtige Freundschaft,“ erinnert sich Peter Elze. „Meine Frau Ruth und ich haben uns um sie gekümmert. Während sich die Frauen unterhielten, habe ich in der Käseglocke die Ohler-Arbeiten und die vielen Kuriositäten gesichtet, die Edwin Koenemann noch zu Lebzeiten auch gegen kleines Geld besichtigen ließ.“

Wahrscheinlich war es so, dass Peter Elze Editha Koenemann davon überzeugen konnte, ihr Haus den Freunden Worpswedes zu überlassen. Noch stand es zwar nicht unter Denkmalschutz, aber es war klar, dass es sich bei der Käseglocke um eine absolute Rarität, um den einzigen erhaltenen Rundbau des bedeutenden Architekten Bruno Taut handelte und dass auch viele Objekte im Haus sinnvollerweise für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. „Die Idee zum Ausbau als Museum für Worpsweder Kunsthandwerk ist jedoch erst einige Jahre später während der Gebäudesanierung entstanden.“

Was Editha Koenemann allerdings vergessen hatte, war die Tatsache, dass sie Haus und Grundstück noch gemeinsam mit ihrem Mann testamentarisch einem befreundeten Ehepaar aus Bremen vermacht hatte – ihre persönliche testamentarische Verfügung zu Gunsten der Freunde Worpswedes war somit hinfällig. Tatsächlich war das Interieur der Käseglocke der Tochter Edwin Koenemanns aus erster Ehe vererbt worden. Und weil die Bremer Erben von Haus und Hof inzwischen verstorben waren, erbte deren Tochter Ursula die Käseglocke und das Grundstück. Beide Parteien nahmen das Erbe an, und die Freunde Worpswedes waren erst einmal außen vor.

Weil sich die persönliche Lebenssituation der neuen Hausbesitzerin gravierend veränderte, bot sie schließlich das weitgehend leergeräumte Haus und das Grundstück zuerst für 100 000 Mark, kurze Zeit später für 150 000 Mark zum Kauf an. „So viel Geld hatten wir natürlich nicht, aber da griff uns die Volksbank Worpswede sehr großzügig unter die Arme, gab uns einen Kredit über einen großen Teil der Summe, der dann als Hypothek auf Haus und Grund abgesichert wurde. Wir haben diese ganze Summe dann über Jahre Monat für Monat aus den Eintrittsgeldern der Käseglocken-Besucher zurückbezahlt.“

Damit hatte man nun, was man wollte, aber ja noch kein vorzeigbares Objekt für Besucher. Im Gegenteil: Erste Untersuchungen des Bauwerks zeigten den hohen Sanierungsbedarf. Doch bevor die Gebäudeinstandsetzung beginnen konnte, traten erst einmal die Denkmalschützer auf den Plan. Das Land Niedersachsen hatte 1995 Mitarbeiter im Barkenhoff stationiert, die von dort aus mehrere Objekte im Ort und in der Region auf ihre Denkmalwürdigkeit prüften. Ins Visier geriet dabei auch die Käseglocke und ihr Grundstück. Am 27. Februar 1996 wurde der Koenemann-Bau und sein unmittelbares Umfeld zum Denkmal erklärt. „Das war für uns natürlich ein ganz entscheidender Schritt, weil wir uns nun um Zuschüsse aus ganz anderen Geldtöpfen bewerben konnten. Außerdem hatten wir in Dr. Klaus Püttmann, dem leitenden Denkmalpfleger bei der damaligen Bezirksregierung Lüneburg, einen neuen Unterstützer gewonnen, der uns den Kontakt zu dem Architekten Fritz-Eckhard Schleif und zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz vermittelte.“

Diese Stiftung und das Land Niedersachsen über die Bezirksregierung Lüneburg übernahmen dann mit 100 000, beziehungsweise 120 000 Mark die Kosten der Sanierung, für die man vorsichtig drei Jahre angesetzt hatte. Der Architekt Schleif und sein in Worpswede ansässiger Kollege Fritz Busse hatten das Vorhaben in mehrere Bauabschnitte aufgeteilt, der Verein der Freunde erklärte sich bereit, das Vorhaben mit viel Eigenarbeit zu unterstützen. Zudem engagierte sich der Landschaftsverband Stade finanziell beim Ausbau zum Museum, in dem er die Alarmanlage bezahlte. Letztlich hat die Gebäudesanierung, die im Jahr 2000 mit dem Preis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung für Restaurierung ausgezeichnet wurde, insgesamt 260 000 Mark gekostet.

„Es war uns schnell klar, dass wir aus der Käseglocke keine Galerie machen konnten. Es gibt ja eigentlich nur drei gerade Wände, an denen man Bilder hätte aufhängen können. Dieser Umstand und die Tatsache, dass ja auch Edwin Koenemann das Haus als eine Art Museum für Kunsthandwerk und kuriose Objekte genutzt hatte, führten dann zu dem Ergebnis, dort der Worpsweder angewandten Kunst Raum zu geben.“ Nun waren zwar aus der Koenemann-Zeit kaum noch kunsthandwerkliche Objekte vorhanden, doch zumindest die Keramiken von Willi Ohler aus der Käseglocke hatte Peter Elze nach ihrer Präsentation im Barkenhoff von Editha Koenemann für die Freunde geschenkt bekommen. Sie kehrten in die Käseglocke zurück und bildeten dort mit der umfangreichen Privatsammlung von Peter Elze den Grundstock der ständigen Ausstellung, die dann stetig Stück um Stück erweitert wurde. „Tatsächlich ist es mir auch gelungen, etliche Objekte aus dem Koenemann-Nachlass für die Käseglocke zurück zu erwerben.“

Noch während der Bauphase, nachdem das Grundstück von allerlei Gerümpel geräumt war, konnten Besucher das zukünftige Museum besichtigen. An den Tagen des offenen Denkmals kamen dann 1998 und 2000 bis zu 900 Besucher an nur einem Tag – die Worpsweder waren offenkundig neugierig auf dieses Kleinod im Wald.

Nicht drei, sondern mehr als sechs Jahre dauerte es, bis aus der Käseglocke das Museum für Kunsthandwerk wurde. Wie viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit die Freunde Worpswedes dort in dieser Zeit geleistet haben, hat niemand gezählt. „Es gab Mitglieder, die haben ihren ganzen Jahresurlaub dafür hergegeben.“ Wie dieses Museum gestaltet werden sollte, war bald klar: „Wir wollten auf jeden Fall die Anmutung eines bewohnten Hauses, wie es früher bei Koenemanns war, erhalten. Deshalb haben wir vornherein auf eine Beschriftung aller Ausstellungsstücke, auf Lichtspots verzichtet und stattdessen den Besuchern Laufzettel mit Informationen zu den einzelnen Räumen mit auf den Weg gegeben.“ Diese ungewöhnliche Form der musealen Präsentation kam beim Publikum an – die Gästebücher sind voll von schwärmerischen Aussagen. Und zur Not konnten die Besucher die anwesenden Aufsichtskräfte fragen, die stets kompetent Auskunft gaben und geben.

Die Aufsichtskräfte – das ist ein eigenes Kapitel, das wesentlich zum Erfolg der Käseglocke beigetragen hat. „Es war mir von Anfang klar, dass wir das Haus nicht mit bezahlten Kräften öffnen könnten. Als ich damals vor der Eröffnung im Vorstand fragte, wer denn dort Dienst machen könnte, stieß ich doch auf erheblichen Widerspruch. Wir sind dann mit vier ehrenamtlichen Kräften und Öffnungszeiten nur an den Wochenenden angefangen. Ganztags versteht sich, nicht wie heute in zwei Schichten. Und wenn dann jemand kurzfristig ausfiel, musste ich als Vorsitzender ran. Das hat sich sehr verändert, wir haben heute 15 bis 20 ehrenamtlich engagierte Frauen und Männer, die sich nach Plan stundenweise um die Aufsicht während der Besuchszeiten kümmern.“

Wie die Zahl der Ehrenamtlichen hat sich auch der Bestand der Sammlung in den zwei Jahrzehnten seit der Eröffnung am 27. April 2001 deutlich vergrößert. Fast alle in den vergangenen 150 Jahren in Worpswede tätigen Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker sind mit mindestens einem Objekt vertreten, manche wie Bernhard Hoetger oder Heinrich Vogeler mit ganzen Ensembles, manche nicht immer in der ständigen Präsentation.

Die Käseglocke wird seit 20 Jahren als eigenständiges Museum nur von ehrenamtlichen Kräften betreut, gehört nicht zum Worpsweder Museumsverbund. Diese Unabhängigkeit, die gute Zusammenarbeit mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und das Engagement einzelner Freunde sind die Grundlage des Erfolges dieses einzigartigen Ortes in der Worpsweder Museumslandschaft.

Editha Ella Marguertie Koenemann, geb. Voss

geb. 26.8.1898 in Hamburg-Altona – gest. 13.2.1993 in Lilienthal
Erste Begegnung mit Edwin Koenemann Oktober 1938
Übersiedlung nach Worpswede 1939
Heirat im Juli 1939

Berufliche Laufbahn:

1.4.1923-21.3.1924 Privatlyzeum Ewald, Altona
2.7.1927 Lehrerin, Schulverbund Altona
15.9.1928-1.7.1931 Deutsches Handelsgymnasium in Rustschuk, Bulgarien (Beurlaubung von ihrer Stelle in Altona)
1.10.1931 Volksschullehrerin in Altona
25.9.1934 Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand
1.6.1935-31.10.1936 Lehrerin an der orthopädischen Heil- u. Bildungsanstalt „Alten-Eichen“, Altona
2.8.1943 Unterrichtserlaubnisschein zur Erteilung von Unterricht an der Privaten Mittelschule zu Worpswede (bis 1945) durch Schulrat Arndt, Verden-Aller