Willy Dammasch – Die Wiederentdeckung eines bemerkenswerten Malers

In den Sommerausstellungen 2016 des Worpsweder Museumsverbundes unter dem gemeinsamen Titel „Die wilden Zwanziger“ steht Willy Dammasch mit der Einzelausstellung in der Worpsweder Kunsthalle im Mittelpunkt. Zu Recht – schließlich ist er der Einzige aus dieser Zeit, der sie hautnah miterlebt, mitgestaltet, überlebt und hier weitergeführt hat. „Man kann jetzt schon, nach knapp einer Woche, sagen: Die Willy Dammasch-Ausstellung ist der Glanzpunkt des Museen-Sommers. Erstmals wird eine Gesamtschau dieses (…) expressiven Malers gezeigt“, schreibt Gudrun Scabell am 25. Juni 2016 in der Wümme-Zeitung. Die Worpsweder Kunsthalle als Ort der Präsentation passt für diese Würdigung: Galerist Friedrich Netzel war Dammasch in den Nachkriegsjahren stets ein treuer Begleiter. Hier fanden die wesentlichen Ausstellungen jeweils zu den runden Geburtstagen des Künstlers statt. Zum 90. Geburtstag würdigte ihn 1977 der Bremer Senator Horst Werner Franke, dem Dammasch den Ankauf der Gemälde „Drei zankende Gänse“ und „Lebenskunde“ für die Stadt Bremen sowie finanzielle Zuwendungen der Theodor-Heuss-Stiftung zu verdanken hat. Neben der Kunsthalle ist Willy Dammasch im Sommer 2016 auch in der benachbarten Großen Kunstschau präsent – vereint mit seinen Künstlerfreunden aus den Zwanziger Jahren Bernhard Hoetger, Bram van Velde und Alfred Kollmar.

Präsent war Willy Dammasch in Worpswede eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten und nicht nur zu seinen runden Geburtstagen. Wann immer in den Ausstellungshäusern des Ortes Überblicksausstellungen zum Worpsweder Kunstschaffen stattfanden – Dammasch war stets mit dem einen oder anderen Ölbild vertreten. Und wenn sich das Künstlerdorf irgendwo in Deutschland oder im Ausland mit Gemälden, Skulpturen und Grafiken präsentierte, dann war zumeist auch Willy Dammasch mit von der Partie. Einer von vielen, die im Laufe ihres Lebens von dem Nimbus Worpswedes angelockt wurden, wieder ging und dann doch zurückkehrte. Über 70 Jahre hat Willy Dammasch, der 1887 in Berlin geboren und 1983 mit 96 Jahren im Hospiz Lilienthal starb, in Worpswede gelebt und gearbeitet. Auch wenn der Kunsthistoriker Bernd Küster Dammasch schon 1989 zu einem der bedeutendsten Maler in Worpswede erklärte, dauerte es noch fast drei Jahrzehnte, bis Leben und Gesamtwerk in Form eines umfassenden, als Werkverzeichnis angelegten Buches und der großen Einzelausstellung in der Worpsweder Kunsthalle 2016 angemessen gewürdigt werden konnte.

Das Verdienst, das vielfältige Lebenswerk nun einer großen Öffentlichkeit vorzustellen, gebührt in erster Linie Peter Elze, der Willy Dammasch schon zu Lebzeiten nachhaltig unterstützte und gemeinsam mit Friedrich Netzel sowie dem Leiter des Worpsweder Archivs Hans-Herman Rief nach Kräften förderte. Elze hat seit dem Tod des Malers vielerlei Informationen zum künstlerischen Werk gesammelt, Kontakte zu den in ganz Deutschland lebenden Bildbesitzern gepflegt und 2012 ein Verzeichnis der grafischen Werke herausgegeben. Elze war es auch, der 2010 die Kunsthistorikerin Katharina Groth motivierte, Leben und Werk von Willy Dammasch wissenschaftlich aufzuarbeiten. Das Ergebnis liegt jetzt in Form eines 216 Seiten umfassenden und empfehlenswerten Buches vor. Darin zeichnet die Autorin das lange Leben des Malers nach und untersucht das künstlerische Schaffen, dem sie eine enorme stilistische Bandbreite und wie einst Bernd Küster eine hohe Qualität attestiert. Katharina Groth unterteilt das Lebenswerk in vier Phasen – Willy Dammasch widmet sich in seinen Anfängen im ersten und zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nach einem Studium an der Königlichen akademischen Hochschule für die bildenden Künste zu Berlin der Marinemalerei, wechselt dann zu einem eigenwillig interpretierten Jugendstil, ehe er einen farbintensiven realistischen Expressionismus entwickelt und schließlich zu einer expressiven Abstraktion kommt. Diese Entwicklung kann vor allem an den Ölbildern nachvollzogen werden, die Werkphasen bauen aufeinander auf, lassen die Auseinandersetzung des Malers mit Form- und Farbproblemen erkennen. Etwa 100 Gemälde konnten bisher als Arbeiten Dammaschs identifiziert werden – einige von ihnen müssen als verschollen gelten, sind jedoch auf Schwarz-Weiß- und auf Farbfotos überliefert. In jüngster Zeit sind jedoch immer wieder einzelne Bilder, die sich in Privatbesitz befinden, aufgetaucht. Auffällig und ungewöhnlich ist an diesem Lebenswerk, dass Willy Dammasch manche Motive nach Jahrzehnten wieder aufgriff, gar seriell untersuchte und dabei zu erstaunlichen Bildergebnissen kam. Dazu zählen maritime Sujets, Kühe, Eisenbahnen und Landschaften aus Portugal, die der Künstler 1933 während einer Reise mit Bernhard und Lee Hoetger kennenlernte.

Die Ausstellung in der Worpsweder Kunsthalle würdigt die künstlerische Entwicklung umfassend und chronologisch – sie stellt zum ersten Mal überhaupt den ganzen Willy Dammasch vor. Die Persönlichkeit des kleinwüchsigen Malers erschließt sich dagegen über das Buch. Katharina Groth beschreibt den Lebensweg von Berlin über Finkenwärder nach Worpswede, untersucht auch die weiteren Stationen im Tarmstedter Moor und wiederum in Berlin, wo Dammasch 1943 bei einem Bombenangriff zahlreiche Bilder verliert. Bad Salzuflen als weiterer zeitweiliger Wohnort und schließlich wieder Worpswede ab 1956 bis zum Tod 1983 sind die Stationen eines langen, zumeist von materieller Not geprägten Lebens. Erhellend ist nicht nur dieser Weg. Erstmalig gelingt es der Autorin auch, den Stellenwert von Künstlerfreundschaften für Willy Dammasch mit Bram van Velde, Alfred Kolmar und Bernhard Hoetger sachgerecht zu analysieren. Und sie kann auch mit Legendenbildungen über das Leben des Malers in der NS-Zeit aufräumen.

Es bleibt festzuhalten, dass Willy Dammasch dem Kunstgeschehen und den meisten seiner Protagonisten in Worpswede fremd blieb. Er ging seinen ganz eigenen Weg, hielt nach seiner Rückkehr 1956 selbst auch Distanz zu den Kollegen am Ort. Einzig Eva Kausche durfte ihn 1976 in seiner „Bude“ in der Bauernreihe porträtieren.

In Worpswede erinnert heute noch ein Weg mit seinem Namen an den Künstler – der Rat des Ortes widmete am 9. Mai 1989 eine bis dahin namenlose Fußgänger-Verbindung durch die Gärten von der Bergstraße zur Hembergstraße zum „Willy-Dammasch-Weg“.

Der Vorschlag dazu kam von dem Essener Kunstsammler Dr. Alfred Hahn (1916-1997), der als Oberstudiendirektor 22 Jahre lang das Frohnhauser Alfred-Krupp-Gymnasium leitete und viele Jahre mit Dammasch bekannt war.

Die Grabstätte des Malers befindet sich auf dem Worpsweder Friedhof – die „Freunde Worpswedes“ haben die Grabstelle 2014 für weitere 30 Jahre erworben und das Künstlergrab somit gesichert.