Das Ehepaar Eva Kausche-Kongsbak und Martin Kausche hat deutsche Buchgeschichte geschrieben. Die beiden Grafiker haben insbesondere seit 1945 das Gesicht diverser deutscher Verlage geprägt, in dem sie deren Buchveröffentlichungen mit einer jeweils ganz eigenen Gestaltung der Umschläge und Titel versahen. Die Kausches kamen unmittelbar nach Kriegsende im Sommer 1945 nach Worpswede und blieben dort bis an ihr Lebensende 2007 (Martin Kausche) und 2010 (Eva Kausche). Ihr Engagement für die Künstlerschaft ist beispielhaft gewesen – sie waren engagierte Mitglieder in der Vereinigung Worpsweder Künstler und Kunstfreunde, Martin Kausche sogar deren Vorsitzender über vier Jahrzehnte von 1951 bis 1991. Ein großes Verdienst gebührt ihm jedoch für die Gründung, den Aufbau und die jahrzehntelange Organisation der ab 1971 errichteten Atelierhäuser Worpswede. Diese Stipendiatenstätte trägt heute Martin Kausches Namen.
Am Anfang der Worpsweder Jahre stand für Martin Kausche ein Auftrag, der sich als sehr langlebig entwickeln sollte – er entwarf den Titel der regionalen Tageszeitung „Weser Kurier“, die am 19. September 2020 ihr 75-jähriges Bestehen feiern konnte. Seit dem 19. September 1945 haben die Leserinnen und Leser des an jedem Werktag in Bremen und im niedersächsischen Umland erscheinenden Mediums das markante Signet aus der Feder von Martin Kausche vor Augen. Der Kopf auf der Seite 1 dieser Zeitung, die zeitweilig in einer Auflage von annähernd 200 000 Exemplaren täglich erschien, ist seit der Erstausgabe mehrfach nuanciert worden – das Signet mit dem durch ein bremisches Siegel getrennten beiden Namensbezeichnungen Weser und Kurier blieb indessen nahezu unverändert.
Wie kam es nun dazu, dass Martin Kausche, dessen Spezialgebiet doch die Buchgrafik war, um die Gestaltung des Zeitungstitels gebeten wurde? Tatsächlich musste damals im Spätsommer 1945 eine komplett neue Zeitung für Bremen erfunden werden. Die US-amerikanische Militärregierung hatte dem Journalisten Hans Hackmack und einem Kollegium von ebenfalls politisch unbelasteten Männern die Herausgabe einer Zeitung erlaubt, die wegen des Papiermangels anfangs mit nur vier Seiten an zwei Tagen in der Woche für 0,20 Reichsmark erschien und den Zeitungsboten buchstäblich aus den Händen gerissen wurde. Hackmack musste damals vor allem erst einmal eine Redaktion aus Frauen und Männern aufbauen, die wie er auch politisch unbelastet waren. Eine Druckerei stand im ehemaligen Verlagshaus der Bremer Nachrichten, im Schünemann-Haus, zur Verfügung – diese bis Kriegsende in Bremen dominante Tageszeitung erhielt wegen ihrer nationalsozialistischen Verstrickungen keine Lizenz. Zu Hans Hackmacks erster Redaktionsmannschaft gehörte als Leiter des Feuilletons der Schriftsteller Manfred Hausmann, der bis 1953 auf dieser Position blieb. Der Worpsweder Autor Hausmann und Martin Kausche waren wiederum seit 1932 befreundet – Kausche hatte damals den Schriftsteller in seine Heimatstadt Stettin zu einer Lesung eingeladen und kam fortan nahezu jedes Jahr zum Besuch nach Worpswede und lernte dort über Hausmann viele Künstlerinnen und Künstler kennen.
So war es naheliegend, dass die durch den Krieg heimatlos gewordenen Kausches auf Anraten Manfred Hausmanns im Sommer 1945 nach Worpswede flohen. Das erste Domizil des Paares im völlig überlaufenen Dorf war die leerstehende Garage des Künstlerkollegen Walter Müller, die sich von innen nicht verschließen ließ, wie sich Kausche später erinnerte. Ein wenig komfortabler war eine kleine Baracke auf dem Weyerberg in unmittelbarer Nachbarschaft zum Haus von Manfred Hausmann. Und der kam eines Abends, wie sich Martin Kausche 1995 in einem Gespräch mit der Weser Kurier-Redakteurin Alexandra Albrecht erinnerte, mit der Frage, ob er sich vorstellen könne, ein Signet für eine neue Tageszeitung zu entwerfen. Ja, konnte er natürlich, es war der erste richtige Auftrag nach der Ankunft in Worpswede. Die Sache hatte nur einen Haken – der Entwurf plus Alternativen sollten am nächsten Morgen vorliegen. Er habe das Bett zur Seite geräumt, um eine ebene Fläche zu haben und sich an die Arbeit gemacht. Der Titel Weser Kurier stand fest, die Gestaltung, der Schrifttypus mussten gefunden werden. Für die beiden Worte wählte er eine klassische Antiqua als Schriftart, also einen Typ, der schon im Römischen Reich in Gebrauch war. Weil er zudem einen Alternativvorschlag abzuliefern hatte, bot er die Worte auch in einer gotischen Schrift an. Nur pro forma, wie er sich später erinnerte, dieser Typus war nach dem verbreiteten Gebrauch in der NS-Zeit „verbrannt“.
Doch die Schrift allein machte noch keine ansprechende Kopfzeile. Nach der Sichtung eines Buches über die deutsche Hanse fand er dort ein bremisches Siegel aus dem Jahr 1366 abgebildet, das bis 1834 zur Beurkundung von Immobiliengeschäften benutzt wurde. Auf diesem Siegel waren Kaiser Karl der Große und der heilige Petrus mit dem Schlüssel zum Himmelreich abgebildet, und in einem Kranz außen herum konnte man die Worte „Sigillum Bremensis Civitatis“ lesen. Dieses Element platzierte Kausche zwischen die Worte Weser und Kurier. Der Vorschlag kam gut an und zierte von der ersten Ausgabe an die Titelseite der Zeitung für die „gesamte Enclave Bremen“, also die Stadt, den Stadt- und Landkreis Wesermünde, die Landkreise Osterholz und Wesermarsch. Diese Form der Titelgestaltung fand interessanterweise Nachahmer. Im Februar 1946, also ein halbes Jahr nach dem Weser Kurier, erschien erstmalig die Wochenzeitung „Die Zeit“ – auch sie platzierte zwischen den titelgebenden Worten ein Signet in Form eines Wappens. Das war dann nicht etwa das Erkennungsmerkmal des Erscheinungsortes Hamburg, sondern das Bremer Wappen. Die Hamburger wollten ihr Stadtwappen dafür nicht hergeben.
Worpswede tauchte auf den vier Seiten der allerersten Ausgabe des Weser Kuriers indirekt durch Martin Kausches Titel und ansonsten nur durch eine Kleinanzeige auf: Der Fotograf Hans Saebens, Worpswede, suchte mit einem Vierzeiler eine „langj. erf. Mitarbeiterin f. Porträt-Positiv-Retusche“. Wie erfolgreich er damit war, ist nicht überliefert.