18 Jahre war Albert Reiners Bürgermeister von Worpswede. Als er dieses Ehrenamt im Oktober 1986 im Alter von 76 Jahren aufgab, galt seine allerletzte Amtshandlung der Realisierung einer Initiative der Freunde Worpswedes: Er weihte eine Laterne an der Lindenallee ein, die den Weg zur Käseglocke fortan beleuchtete. Ein kleiner Akt am Ende einer langen Amtszeit, die von der Zuneigung des Albert Reiners zu seinem Heimatdorf geprägt war. Reiners starb 1994 und blieb Worpswede über seinen Tod hinaus segensreich verbunden: Er verfügte noch zu Lebzeiten, dass sein Besitz und Vermögen in eine Stiftung eingebracht werden sollte, die fortan örtliche Vereine, die evangelische Kirchengemeinde und das Lilienthaler Hospital unterstützte. Von 1996 bis 2016 sind so rund eine Million Euro für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung gestellt worden. Das Leben und Wirken von Albert Reiners ist jetzt in einem von der Stiftung herausgegebenen Buch gewürdigt worden. Den Text schrieb Gudrun Scabell, die ehrenamtliche verlegerische Betreuung lag in den Händen von Peter Elze.
Ein Buch über einen früheren Worpsweder Bürgermeister – kann das außer denen, die Albert Reiners noch gekannt haben, die ihm vielleicht noch heute verbunden sind, Menschen interessieren? Es kann, denn die Autorin hat nicht nur die Geschichte der Familie Reiners detailliert recherchiert. Gudrun Scabell hat die Biografie des Worpsweder „Urgesteins“ kenntnisreich in die jüngere Geschichte des Dorfes Worpswede eingebettet und dafür Details aus diversen Archiven und bislang wenig erschlossenen Quellen zur lokalen Geschichte zusammengetragen. Eine besondere war der beschriebene Albert Reiners selbst, der zeitlebens Dokumente, Briefe und Notizen aufhob – dieser Schatz ist durch glückliche Umstände ins Worpsweder Ortsarchiv von Hans Hubert gelangt.
Der 1910 geborene Sohn eines Bäckermeisters, der den väterlichen Betrieb in der Findorffstraße bis 1963 führte, hat sich zeitlebens für die Allgemeinheit eingesetzt. Die Biografie verzeichnet beispielsweise die Mitgliedschaft von Albert Reiners in etwa 30 Vereinen, Organisationen und Institutionen, darunter auch die Freunde Worpswedes. Er übernahm dabei vielfach Verantwortung, engagierte sich so für die Feuerwehr, bei den Schützen und beim Roten Kreuz sowie auch als Landrat des Landkreises Osterholz. Gudrun Scabell verschweigt dabei auch nicht die Rolle von Albert Reiners in der Nazi-Zeit, in der er über den deutschnationalen „Stahlhelm“ in die SA eintrat und Mitglied der NSDAP wurde.
Die Bedeutung von Kunst und Kultur für den Ort Worpswede muss Albert Reiners sehr klar gewesen sein – auch wenn ihm die Kommunalpolitik, das Feuerwehrwesen und die Schützen näher waren. Künstler und Schriftsteller waren Kunden der Bäckerei, mit vielen war er seit seiner Jugend persönlich bekannt und bei Eröffnungen großer Ausstellungen war der Bürgermeister Reiners selbstverständlich präsent.
1980 war er neben Ministerpräsident Ernst Albrecht und Fritz Netzel einer der Festredner, die den von den „Freunden“ restaurierten Worpsweder Bahnhof einweihten. So verwundert es dann auch nicht, dass Albert Reiners 1952 den Maler und Keramiker Willi Ohler im Zuge eines Umbaus der Bäckerei in der Findorffstraße 6 beauftragte, den Eingangsbereich zum Laden mit Terrakotten zu schmücken. Ohler brachte an den Wänden braune Kacheln an, auf denen er in Ritztechnik die Geschichte der fleißigen Heinzelmännchen und des Narren Till Eulenspiegel, die sich jeweils als Bäcker nützlich machten, festhielt. Um diese Szenen herum hielt Willi Ohler eine traditionelle Backstube, einen alten Bauernbackofen sowie Wappen und Schriftzüge mit Jahreszahlen und Namen der Auftraggeber fest. Ob diese ungewöhnliche Arbeit auf Dauer gesichert werden kann, ob sie beim geplanten Abriss des Hauses gerettet werden kann, steht derzeit noch nicht fest – Wasserschäden haben den Wandbildern erheblich zugesetzt.
Die Albert-Reiners-Stiftung, der seit Gründung Uwe Tietjen vorsteht, hat in den vergangenen 20 Jahren ganz im Sinne des Stifters das Worpsweder Vereinsleben im wahrsten Sinne des Wortes bereichert, Kinder- und Jugendprojekte gefördert, kirchliche, sportliche und kulturelle Initiativen unterstützt. Dazu zählt beispielsweise auch die Co-Finanzierung des von den Freunden Worpswedes herausgegebenen Buches über die Käseglocke als Museum für Kunsthandwerk. Albert Reiners hätte daran sicher seine Freude gehabt.
Die Biografie „Albert Reiners – Ein Urgestein Worpswedes“ von Gudrun Scabell hat 108 Seiten und ist reich illustriert. Erhältlich ist das Buch zum Preis von 18 Euro bei der Worpsweder Tourist-Information, im Rathaus, im Laden der Stiftung Worpswede sowie in der Buchhandlung Netzel und im Worpsweder Buchladen.