Ein Hirte entlässt seine Herde in die Zukunft – zum Abschied unseres Pastors Dr. Kurt Liedtke

Als Pastor Liedtke im August 2010 sein neues Amt antrat, eröffnete sich ihm ein Künstlerdorf mit malerischem Ortsbild, jedoch hinter den Kulissen brodelte es in der Gemeinde, eine Situation, die sich damals ins Absurde hochgeschaukelt hatte. Dies ging sogar durch die regionale Presse. In dieser Situation wurde dringend ein Schlichter benötigt, der es verstand, die Wogen zu glätten. Der souverän und mit Sachkenntnis über den Dingen schwebte und mit Einfühlsamkeit seine neue „Herde“ auf gemeinsamen Pfad zu bringen verstand.

Die Gemeinde sollte Glück haben! Es kam mit Dr. Liedtke, Jg. 1955, der geeignete Mann an den richtigen Ort, an dem er sich in seinem Fachgebiet der Praktischen Theologie mit Kompetenz einbringen konnte – in seiner ruhigen, sachlichen wie freundlich-verbindlichen Art. Und mit Überzeugung!

Aufgewachsen in Helmstedt und Hannover, studierte er in Göttingen. Nach dem Vikariat in Wolfsburg promovierte er in Würzburg und wählte Ernst Lange (1927–1974) zum Thema, einen Professor für Praktische Theologie und ein Kirchenreformer, der insbesondere den Gedanken der Ökumene in den Vordergrund stellte. Es war dies die Zeit des Umbruchs, für die auch ein Mann wie Jörg Zink (1922–2016) steht, der als Theologe, Publizist und Nutzer neuer Medien die Jugend durch moderne, verständliche Bibelübersetzungen für die Kirche gewann.

Nach mehreren Pfarrstellen in Niedersachsen sollte nun Worpswede zur neuen Heimat für Pastor Liedtke werden, das Haus am Kirchberg sein Zuhause. Die Zionskirche gleich dahinter hatte gerade 2009 ihr 250jähriges Jubiläum hinter sich, mit großem Festgottesdienst und Predigt der damaligen Bischöfin Margot Käßmann. Eine Ausstellung mit christlichen Motiven in der Kunsthalle begleitete die Festwochen.

2010 folgte dann das ökumenische Bibelprojekt „ Worpswede schreibt die Bibel“, das auf dem Ökumenischen Kirchentag in München mit von den Freunden Worpswedes vorgestellt wurde.

2012 konnte die neue Ahrend-Orgel nach Gloger-Vorlage von 1762 eingeweiht werden, ein Projekt, das im Ort viel Überredungskraft brauchte, ob der leeren Kassen in anderen gemeindlichen Bereichen. Wir haben uns sehr für den Bau eingesetzt und unsere Kantorin Frau Dehning unterstützt. Die Orgel ist jetzt inzwischen willkommen, gelingt es doch, hochkarätige Musiker für Konzerte, die u.a. bei den wöchentlichen Musikveranstaltungen zu hören sind, gewinnen zu können. Hier ein explizites Lob an Ulrike Dehning für ihre unermüdliche, jahrelange Tätigkeit!

Auch 2017 ging es wieder um die Kunst: das Projekt „Ich bin so frei“, abgeleitet vom Luther-Zitat „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ anlässlich des 500. Reformationsjubiläums. Erstmals wurde es gewagt, ein raumgreifendes, mehrteiliges Werk, hier des Hamburger Künstlers und Wettbewerbspreisträgers Tillmann Terbuyken, Jg. 1978, in der Zionskirche zu installieren. Das monumentale, jedoch leicht wirkende Objekt (ohne Türen, ohne Thesen!), das mit einzelnen Details auf den Innenraum der Kirche abgestimmt war, erregte reichlich Irritation. Die Freunde waren angetan und werden auch weitere Aktionen dieser Art gern unterstützen.

2017 forderte uns noch ein weiteres Projekt, das nur gemeinsam gestemmt werden konnte: die Restaurierung des sog. „Heiligen Worps“, die Statue des Heiligen Georgs am Kirchberg, als Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Gemeinde im Krieg 1870/71, von Fritz Mackensen initiiert, von Donatello einst geschaffen und hier in Replik. Problem: wem gehört genau der Grund und Boden? Wer mag/ und kann die Restaurierung bezahlen, wer kann sie ausführen (siehe eigenerArtikel in dieser Zeitung)? Die Kirchengemeinde stellte nicht nur Wasser und Strom, sondern auch freundliche Helfer, die mit anpackten. Vielen Dank dafür!

2018 hatte der Ort selbst sein Jubiläum: gegründet vor 800 Jahren – das mußte gefeiert werden! Die Freunde Worpswedes hatten die Idee, den Liederzyklus „Worpswede!“ von Paul Scheinpflug, nach Gedichten von Franz Diederich, von 1904, aufführen zu lassen. Auch hier konnten wir auf die Kantorin Ulrike Dehning vertrauen, die hochqualifizierte Künstler zusammenführte. Und auf nette Sponsoren zur Finanzierung (siehe eigener Artikel in dieser Zeitung). Die Resonanz war sehr positiv, sodass in geselliger Runde der Abend im Gemeindehaus anregend beendet werden konnte.

2019 gab es eine Änderung, die die Freunde Worpswedes ganz besonders betraf: Das Jahrzehnte lange Vorstandsmitglied Günter Hildebrandt verstarb für uns plötzlich und unerwartet. Er war Gärtnermeister und ob seines Amtes für viel Grün im Ort zuständig, aber vor allem ein sehr guter Freund – immer hilfsbereit, und ein Mann der Kirche.

Um so mehr waren wir angetan, auch in Anbetracht seiner Frau und der Kinder, dass es erstmals, wohl seit langer Zeit, möglich wurde, die Aussegnungsandacht in der Kirche vorzunehmen. Und dies im Umfeld des üppigen Blumenschmucks und der Würdigungen durch Freunde und Kollegen. 

Seit dessen wird es nun genehmigt, kirchliche Trauerfeiern auf Wunsch im Gotteshaus durchzuführen. Wir freuen uns sehr über diese, wohl anfangs auch nicht von allen gern gesehene, neue Möglichkeit. Pastor Liedtke hat es verstanden, Frieden zu stiften – die Gemeinde wieder zusammenzuführen, Projekte anzukurbeln und neue Mitglieder mit einzubeziehen. Dafür möchten wir uns herzlich bei ihm bedanken! Wir hoffen, dass er und seine Frau sich hier im Ort wohl gefühlt haben, weiterhin auch nach Wegzug den Ort im Blickfeld behalten und jetzt vor allem ihren verdienten Ruhestand genießen, mit Gartenarbeit, Radfahren, Paddeln, Lesen, Kinder und Enkel besuchen, etc. – wie wir erfuhren. 

Alle guten Wünsche und eine gute Zeit unserem Pastor Liedtke und seiner Frau, und bleiben Sie bitte Worpswede treu!

Susanna Böhme-Netzel , Freunde Worpswedes