Der unerkannte Bernhard Hoetger – Ein Symposium

Seine Werke prägen Worpswede und Bremen mehr als die von jedem anderen Künstler. Bernhard Hoetger schuf große Skulpturen und unorthodoxe Bauwerke, die in Worpswede zu den Publikumsattraktionen zählen und in Bremen die Böttcherstraße prägen. In einem der ortsprägenden Bauten, der Worpsweder Großen Kunstschau, wird im Rahmen der Sommerausstellung 2016 zu den „Wilden Zwanzigern“ Hoetger als Bildhauer, Baumeister, Zeichner und Maler vorgestellt.

Die Kuratoren dieser Präsentation, Katharina Groth und Björn Herrmann, haben im Rahmenprogramm mit maßgeblicher Unterstützung der Worpsweder Gesellschaft für Kunst, Kultur und Wissenschaft e.V. und der Kulturstiftung Landkreis Osterholz ein eintägiges Symposium zu „Bernhard Hoetger und Worpswede“ organisiert. Die Tagung fand im Diedrichshof statt, also an dem Ort, an dem Bernhard Hoetger ab 1915 sein erstes Worpsweder Wohnhaus, den Brunnenhof, errichtete. Von diesem Gebäude sind nach einem Brand im Jahr 1923 nur Teile erhalten – im Gegensatz zur Gartenanlage, die als Hoetgerscher Skulpturenpark komplett rekonstruiert wurde und seit Jahren unter Denkmalschutz steht. Im Zentrum des Symposiums standen der Architekt Hoetger und dessen Persönlichkeit – untersucht in Referaten des Kunsthistorikers Dr. Wolfgang Saal (Mainz) und des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Professor Dr. Uwe Gonther (Bremen).

Wolfgang Saal, bis zur Pensionierung Abteilungsleiter für Kunstgewerbe im Landesmuseum Mainz, hat sich schon im Rahmen seiner 1989 abgeschlossenen Promotion zur Architektur Bernhard Hoetgers intensiv mit den Künstlerbauten in Worpswede beschäftigt. Von seinem ersten Wohnhaus, dem ab 1915 in Worpswede errichteten Brunnenhof bis zu seinem ab 1938 ​in Berlin-Frohnau entstandenen und noch im 2. Weltkrieg zerstörte Haus zeichnet sich das baukünstlerische Werk Hoetgers durch eine weitreichende

Vielfalt aus. Hoetger schuf Formen, aber keine an der Statik ausgerichteten Pläne, beschreibt Wolfgang Saal den Weg des „Architekten“ Hoetgers. Mehr oder minder deutlich tritt bei allen diesen Bauten eine expressionistische Formensprache zu Tage, in der sich die wandelnde ideologische Grundhaltung Hoetgers spiegelt. Saal definiert diese Haltung als regionalen Expressionismus – regional deshalb, weil Hoetger bei seinen Worpsweder und Bremer Bauten auf landestypische Baumaterialien setzt. Geometrische und organische Formen, germanische Sonnensymbolik und ägyptisierende Elemente rührt Hoetger in der Fassadengestaltung und in der Innenausstattung munter durcheinander. Dabei kommt ihm das Verdienst zu, mit seinem zweiten Worpsweder Wohnhaus am Hang des Weyerbergs den ersten expressionistischen Nutzbau überhaupt geschaffen zu haben. Dieser für den Baukünstler Bernhard Hoetger so typische Stilmix hat bis heute nichts an Faszination eingebüßt – das Ensemble um die Große Kunstschau mit dem Logierhaus, dem Kaffeehaus Worpswede und dem nahegelegenen Philine-Vogeler-Haus, der Niedersachsenstein, die Außenanlagen um den seit 1924 als Diedrichshof firmierenden Brunnenhof, das zweite Worpsweder Wohnhaus und die Häuser der Bremer Böttcherstraße sind Besuchermagnete. Allerdings sind alle diese Bauwerke keine Solitaire eines genialen Baukünstlers, sondern nach den Worten Wolfgang Saals Ausdrucks eines Zeitgeistes der Zwanziger Jahre. Die für Hoetger so typischen Merkmale seiner Bauten finden sich auch in Denkmälern und Gebäuden, die Architekten wie Walter Gropius, Fritz Höger, Peter Behrens oder Antoni Gaudí entwarfen und realisierten. Insbesondere bei Gropius sieht Saal zahlreiche Parallelen und benennt dabei dessen 1920 in Weimar errichtetes Denkmal für die März-Gefallenen oder das 1920/21 in Berlin-Lichterfelde erbaute Haus Sommerfeld. In Worpswede und Bremen sind die realisierten Ideen des Baukünstlers Bernhard Hoetger einzigartig und ungewöhnlich, darüber hinaus sind sie es nicht, wie Wolfgang Saal nachdrücklich belegte.

Eine vorsichtige Annäherung an die Person des Bernhard Hoetger lieferte im Rahmen des Symposiums der Psychiater und Psychotherapeut Uwe Gonther, der in Bremen Ärztlicher Direktor einer Klinik ist. Gonther hat sich in die Biografie des Künstlers vertieft, der weder einen Schul- noch einen Studien-abschluss hatte, den er aber als einen sehr begabten Handwerker und Künstler charakterisierte. Auffällig sind für Gonther die wechselnden Gesinnungen Hoetgers und sein lebenslanges Streben nach Anerkennung. Daraus, so eine These des Referenten, resultiert die Uneindeutigkeit seines künstlerischen Werkes. Hoetgers Bemühungen um Anerkennung durch Vertreter des NS-Regimes, die bei ihm zu konstatierende Überhöhung des Germanentums habe nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs zu einem „Kollaps des Größenselbst“ und in der Folge zu einer langanhaltenden Depression geführt, die bis zum Tod im Mai 1949 anhielt.