Heinrich Vogelers Brief an den Kaiser

Heinrich Vogelers Friedensappell an Kaiser Wilhelm II., „Das Märchen vom lieben Gott“, gehört zu den berühmtesten deutschen Künstlerschriften des 20. Jahrhunderts. Vor einiger Zeit ist noch Vogelers Begleitbrief an die Oberste Heeresleitung bekannt geworden, der direkt ausspricht, was der Kaiserbrief in Form einer Dichtung wiedergibt.

Beide Schreiben klagen die Verlogenheit einer deutschen Politik an, die einen Verteidigungskrieg versprach, jedoch einen Eroberungskrieg führt und mehr noch: sich hierbei auf das Christentum beruft. Beide Schreiben fordern zur Umkehr und zu ehrlichen Friedensbemühungen auf.

Vogeler setzt dabei sein Leben aufs Spiel – und verwirkt es dabei auch fast. Aber er kann nicht anders, als diesen Versuch zu wagen, die Mächtigen zur Einsicht zu bewegen. Er könnte nicht weiterleben mit der Schuld, nicht gegen das Elend des Krieges protestiert zu haben.

Vogelers Tat und ihre moralische Größe sind jedem Vogeler-Kenner ein Begriff. Wer es genauer wissen will, muß sich durch die Dokumente arbeiten, die nunmehr hier erforscht sind. Die vorliegende kleine Schrift möchte zum Verständnis der Briefe und Äußerungen Vogelers beitragen. Neben der Historie der Briefe gibt sie gleichzeitig Einblick in die sich wandelnde Weltanschauung des Künstlers.

Der Kaiserbrief wird Vogeler sein Leben lang anhaften. Er hat vor seiner Übersiedlung nach Sowjetrussland im Jahre 1931 nicht viel hergemacht von seiner großen Tat und sie eigentlich nur erwähnt, wo es nicht zu umgehen war. In Sowjetrussland bekommt der Friedensappell an den Kaiser einen völlig neuen Stellenwert in seiner Biographie, was mit seiner politisch schwierigen Situation zusammenhängt. Auch dies wird erstmals in dieser Publikation dargestellt. Dem Vogeler-Biografen Dr. Bernd Stenzig ist dies hier in eindrucksvoller Weise gelungen.

Herausgeber der vorliegenden Schrift ist der Verein „Freunde Worpswedes“. Drei Umstände sind es, die die „Freunde Worpswedes“ gerade zu diesem Zeitpunkt zu dieser Publikation veranlassen. Das Jahr 2014 ist das Jahr des Gedenkens an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914, und in diesem Zusammenhang sollte auch die Erinnerung an Vogelers Friedensappell nicht fehlen. Zählt er doch zu den herausragenden Stimmen gegen den Ersten Weltkrieg und hat in Worpswede seinen Ausgang genommen!

Das Jahr 2014 ist darüber hinaus für Worpswede Anlass zu einem weiteren Rückblick. Das Künstlerdorf Worpswede feiert sein 125-jähriges Bestehen, und Vogelers Kaiserbrief gehört zu den wichtigen Zeugnissen der Geschichte des Ortes.

Schließlich ehren die „Freunde Worpswedes“ damit auch einen ihrer Gründer. Die „Freunde Worpswedes“ sind aus dem „Verschönerungsverein Worpswede von 1903 (Heimatschutz)“ hervorgegangen, dem ältesten Verein für Landschaftsschutz, Denkmalpflege, Baukultur und regionale Tradition in Deutschland. Mitbegründer dieses Vereins und dessen Vorsitzender in den Jahren 1904 bis 1912 war kein anderer als Heinrich Vogeler, der hier im Kleinen und auf lokaler Ebene jenen Gemeinsinn an den Tag gelegt hat, der sich später – mit dem Friedensappell an den Kaiser – auch im Großen und unter Einsatz des Lebens bewähren wird.

„Das Märchen vom Lieben Gott“, Bernd Stenzig, 48 Seiten, 10,- €

Auch erhältlich in der Worpsweder Kunsthalle und in der Käseglocke Worpswede.