Curt Wittenbecher – Ein vergessener Maler

Der Diedrichshof in Worpswede bietet für private Feiern, für Unternehmenstagungen und Seminare eine gediegene Atmosphäre. Das erste Worpsweder Wohnhaus von Bernhard Hoetger, an den heute vor allem die Gartenanlage mit dessen Skulpturen erinnert, ist komplett mit ungemein farbenfrohen expressiven Bildern eines weithin vergessenen Malers ausgestattet – mit 20 Ölbildern und Aquarellen von Curt Wittenbecher. Im Diedrichshof hat Wittenbecher nie gewohnt. Dennoch hat Worpswede im Leben dieses 1978 verstorbenen Künstlers eine gewichtige Rolle gespielt. Noch zu Lebzeiten sind seine Werke wiederholt in den Museen des Ortes ausgestellt worden. Im Winter 2016 und Frühjahr 2017 erinnert die Lilienthaler Kunstschau an diesen Künstler einer „verschollenen Generation“ und zeigt einige späte Werke.

Das alles erklärt nicht die Präsenz Curt Wittenbechers im Diedrichshof. Tatsächlich hat die Bremer Heimstiftung, der der Diedrichshof seit 1954 gehört, 1986 einen großen Teil des Künstlernachlasses geerbt. Hildegard Wittenbecher, die Witwe des Künstlers, war nach dem Tod ihres Mannes in das St. Remberti Stift, einem Seniorenheim der Bremer Heimstiftung, gezogen. Sie vermachte dieser Stiftung mehr als 50 Ölbilder, rund 300 Aquarelle und zahlreiche Zeichnungen. Dieses große Konvolut ging nach dem Tod Hildegard Wittenbechers am 1. Mai 1997 in den endgültigen Besitz der Heimstiftung über, die die Bilder auf diverse Altenheime, die Büros der Geschäftsführung in der Marcusallee und den Diedrichshof verteilte.

Curt Wittenbecher, 1901 in Magdeburg geboren und in Berlin und München ausgebildet, wird den Diedrichshof gekannt haben – in seiner Worpsweder Zeit wohnte er in der unmittelbaren Nachbarschaft.

Nach dem Studium und einigen Jahren als freier Künstler in seiner Geburtsstadt musste er in den Krieg ziehen. 1944 kam er nach Hindelang im Allgäu und lernte dort die Familie Modersohn kennen, die in ihm das Interesse an Worpswede weckte. 1949 zog Curt Wittenbecher in den Künstlerort und fand eine Wohnung in der Hans am Ende-Villa, dem heutigen Hotel Buchenhof , in unmittelbarer Nachbarschaft des Barkenhoffs und schräg gegenüber vom Diedrichshof. Dort entstand auch das Porträt des jungen Matthias Kaufmann, dem Sohn des Worpsweder Galeristen Bernhard Kaufmann.

Wittenbecher lebte bis 1955 in Worpswede, dann zog er nach Bremen in die Hartwigstraße 5. An seinem Haus, das er bis Ende 1976 bewohnte, prangte ein Schild mit dem Namen und der Berufsbezeichnung „akadem. Maler“. Kaum ein Jahr vor seinem Tod zog er dann in die Brahmsstraße – dort und auch an seinem vorhergehenden Wohnsitz lud er jedes Jahr zu einem Tag des offenen Ateliers ein, um neueste Arbeiten zu zeigen.

Schon in seinen Worpsweder Jahren muss Curt Wittenbecher enge Verbindungen nach Bremen geknüpft haben – seine erste Ausstellung hatte er im April 1949 in der Bremer Kunsthalle mit Zeichnungen und Aquarellen, die in Hindelang entstanden waren. Im Jahr drauf, im Mai 1950, stellte Wittenbecher dann auch erstmals in Worpswede aus. Im Philine Vogeler Haus zeigte er Porträts und Landschaften. Der Rezensent des Weser-Kuriers urteilte vorsichtig: „Den außerordentlich anregenden Landschaftsbildern und freien in abstrakte Bereiche vorstoßenden Kompositionen haftet noch das Signum des Experimentierens an. Vielleicht reift in der Größe und Ruhe der Worpsweder Ebene etwas Gültiges heran.“

Curt Wittenbecher hat fortan regelmäßig und wiederholt in der Bremer Kunsthalle, im Graphischen Kabinett und im Neuen Forum Böttcherstraße, dessen Gründungsmitglied er 1953 war, allein und in Gruppenpräsentationen ausgestellt.

Seine Gemälde, so beurteilte im August 1959 ein Rezensent des Weser-Kuriers eine Einzelausstellung in der Bremer Kunsthalle, seien zuweilen von kristalliner Durchsichtigkeit, kräftig in die Fläche gezogen, intensiv farbig und glasfensterhaft konturiert. Seine Motive fand der Maler dabei in der Landschaft der Region, im Bremer Stadtraum und bei zahlreichen Studienreisen, die ihn durch ganz Europa führten. 1960 und 1961 entstanden gezeichnete und lithografierte Mappenwerke mit Bremer Motiven, später widmete er sich als Maler und Aquarellist dem Leben im Zirkus, dem Theater und der Musik. Curt Wittenbecher profilierte sich in seinen Bremer Jahren jedoch nicht nur als Maler und Zeichner, er war auch ein gefragter Vortragsredner für Themen der Bildenden Kunst bei der Volkshochschule, beim Kunstverein und anderen Bremer Institutionen. Das „offizielle“ Bremen würdigte ihn mit Geldgeschenken zu den runden Geburtstagen, mit Werkankäufen und mit der Präsentation seiner Werke in der damals noch in Bonn ansässigen Landesvertretung. Dort waren noch nach seinem Tod ein 1950 gemaltes Porträt von Bürgermeister Wilhelm Kaisen und eine Ansicht des Bremer Marktplatzes in den Empfangsräumen zu sehen.

Das blieb dann nach Curt Wittenbechers Tod am 2. Januar 1978 lange Zeit die einzige Erinnerung, sieht man einmal von der Präsenz seiner Werke in den Häusern der Bremer Heimstiftung ab. Erst die Lilienthaler Kunstschau hat Wittenbecher dann 2016 (noch bis 26. Februar 2017) in ihrer Ausstellung „Selten gezeigt – Kunst der verschollenen Generation“ wieder öffentlich gewürdigt.